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Soziokulturelle vs. eigentumsrechtliche Aspekte der Erbschaftsteuer

Erbschaftsteuer im Spannungsfeld zwischen soziokulturellen und eigentumsrechtlichen Aspekten

Die Frage nach der Legitimität der Erbschaftsteuer gehört zu den beständig umstrittenen Themen moderner Steuerpolitik. Während sie in fiskalischer Hinsicht eine vergleichsweise geringe Bedeutung einnimmt, entfaltet sie eine umso größere symbolische Wirkung. Sie berührt grundlegende gesellschaftliche und rechtliche Fragestellungen: Wie viel Freiheit darf dem Einzelnen im Umgang mit seinem Vermögen zukommen? Welche Verantwortung besteht gegenüber der Gemeinschaft? Und darf der Staat die Erbschaftsteuer als Instrument des sozialen Ausgleichs einsetzen – oder überschreitet er damit die Grenzen eines freiheitlichen Rechts- und Wertesystems?

Das Vererben von Eigentum ist ein seit Jahrhunderten fest verankertes kulturelles Muster. Es dient nicht nur der Vermögensübertragung, sondern auch der Sicherung familiärer Kontinuität, der Weitergabe von Traditionen und der Erhaltung sozialer Bindungen. Erbschaften stiften Sinn, indem sie den individuellen Lebensweg in den Generationenzusammenhang einbetten.

Befürworter der Erbschaftsteuer sehen in ihr ein Mittel, um Chancenungleichheiten abzumildern, die allein durch Geburt entstehen. Da Erbschaften erhebliche Vermögenskonzentrationen begünstigen können, soll die Steuer den Fortbestand einer offenen Gesellschaft sichern oder auch – bei entsprechender Auslegung von Gerechtigkeit – unverdiente Privilegien begrenzen.

Gleichzeitig wird die Erbschaftsteuer von vielen als Eingriff in die familiäre Autonomie empfunden. Während Einkommen und unternehmerische Gewinne als „erarbeitete“ Werte gelten, wird die Erbschaft stärker mit familiärer Fürsorge und persönlichem Lebenswerk verbunden. Die gesellschaftliche Akzeptanz hängt daher maßgeblich von der Wahrnehmung ab, ob die Steuer als legitimer Beitrag zum Gemeinwesen oder als ideologisch motivierte Belastung verstanden wird.

Zunehmend wird aber die Erbschaftsteuer in der öffentlichen Debatte als plakatives Mittel gegen „Reiche“ präsentiert. Dies verschiebt die Begründung von der Sicherung des Existenzminimums schwacher Gesellschaftsmitglieder hin zu einer umfassenden Nivellierung zwischen Arm und Reich. Eine solche Überhöhung verleiht der Steuer einen ideologischen, teilweise radikalen Charakter, der über die Kernaufgabe des Sozialstaates hinausgeht. Der Sozialstaat nach dem Leitbild der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet sich nicht auf Gleichmacherei, sondern auf Schutz und Hilfe in Notlagen. Insofern besteht die Gefahr, dass die Erbschaftsteuer ihre soziokulturelle Legitimität verliert, wenn sie primär als Kampfmittel der Umverteilung verstanden wird.

Das Eigentum genießt in liberalen Verfassungen einen hohen Stellenwert. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert das Eigentum und schützt es als zentrales Freiheitsrecht. Eigentum gewährleistet Selbstbestimmung, Sicherheit und die Möglichkeit, individuelle Lebensentwürfe zu verwirklichen. Zugleich betont Art. 14 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Daraus ergibt sich eine Spannung zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung.

Das Erbrecht ist in Art. 14 Abs. 1 GG ausdrücklich geschützt. Dies unterstreicht die Bedeutung der familialen Weitergabe von Eigentum als Bestandteil der Eigentumsordnung. Gleichwohl handelt es sich nicht um ein schrankenloses Grundrecht, sondern um eine institutionelle Garantie, deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber obliegt. Das Erbrecht begründet daher keinen absoluten Anspruch auf steuerfreie Übertragung. Die entscheidende Frage lautet, wie weit die Sozialbindung reicht, ohne den Kerngehalt des Eigentums auszuhöhlen.

Eine Erbschaftsteuer bedeutet stets, dass der Staat einen Teil des Vermögens beansprucht, das nach den Vorstellungen des Erblassers der Familie zufallen soll. Aus eigentumsrechtlicher Sicht ist dies nur dann legitim, wenn ein hinreichend gewichtiger Gemeinwohlgrund vorliegt.

Eine Rechtfertigung als allgemeines Umverteilungsinstrument („die Reichen sollen zahlen, die Armen profitieren“) überschreitet hingegen die Schranken, die der Eigentumsgarantie gesetzt sind.

Die Erbschaftsteuer darf nicht zum Vehikel ideologischer Gleichmacherei werden. Ihre Berechtigung endet dort, wo sie nicht mehr funktional begründet wird, sondern zum Ausdruck eines gesellschaftspolitischen Umverteilungsdogmas wird. Zulässig ist sie nur, wenn sie verhältnismäßig bleibt, Freibeträge zum Schutz der familiären Grundsubstanz wahrt und im Einklang mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums steht.

Eine Balance kann gefunden werden, wenn die Steuer nicht als plakatives Gleichmachungsinstrument auftritt, sondern als maßvolle Begrenzung exzessiver Vermögenskonzentration. Freibeträge sichern den familiären Kernbereich, während hohe Erbschaften einen moderaten Beitrag zum Gemeinwesen leisten. So wird sowohl der Gedanke der Sozialpflichtigkeit gewahrt als auch die Freiheit der Eigentumsordnung respektiert.

Die Erbschaftsteuer ist nicht per se unvereinbar mit den Grundsätzen eines freiheitlichen Rechts- und Wertesystems, sie ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt. Sie wird illegitim, wenn sie als ideologisch aufgeladenes Umverteilungsinstrument missbraucht wird. Ihre Berechtigung stützt sich ausschließlich auf die funktionale Rolle, die sie im Gefüge von Freiheit, Eigentum und Gemeinwohl spielt. In diesem Sinne ist sie als maßvolles, rechtlich gebundenes und sozial begrenztes Instrument akzeptabel – nicht aber als Vehikel politischer Gleichmacherei.

Inanspruchnahme als Bürge nach unentgeltlicher Bürgschaftsübernahme

Verbürgt sich ein Dritter gegenüber einem fremden Dritten unentgeltlich und wird er später als Bürge in Anspruch genommen, ohne dass er das Geld von dem Schuldner zurückerhält, kann er den Ausfall seiner Regressforderung gegen den Schuldner bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich geltend machen, wenn er eine Einkünfteerzielungsabsicht bei Übernahme der Bürgschaft hatte. Grundsätzlich ist die Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen widerlegbar zu vermuten.

Hintergrund: Fällt ein Steuerpflichtiger mit einer Forderung, die zu seinem Privatvermögen gehört, aus und ist die Forderung ab dem 1.1.2009 gewährt worden, kann der Steuerpflichtige den Forderungsausfall grundsätzlich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen. Erforderlich ist aber eine Einkünfteerzielungsabsicht; der Steuerpflichtige muss also mit der Forderung Einkünfte, z.B. Zinsen, erzielen wollen.

Sachverhalt: Der Kläger hatte sich im Jahr 2010 für eine Darlehensverbindlichkeit der Z-GmbH gegenüber der A-Bank unentgeltlich verbürgt. Der Kläger war kein Gesellschafter der Z-GmbH. Die Lebensgefährtin des Klägers war L, die im Streitjahr 2012 noch mit G verheiratet war, der ein Gesellschafter der Z-GmbH war. Im Jahr 2012 gewährte der Kläger der Z-GmbH ein verzinsliches Darlehen zu einem Zinssatz von 7 % und sollte zusätzlich eine Gewinn- und Verlustbeteiligung von 10 % am Ergebnis der Z-GmbH erhalten. Im Streitjahr 2012 wurde der Kläger als Bürge von der A-Bank in Anspruch genommen und zahlte an die A-Bank ca. 190.000 €. Über das Vermögen der Z-GmbH wurde noch im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger fiel mit seiner Regressforderung gegen die Z-GmbH aus und machte den Ausfall bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust nicht an.

Entscheidung: Der BFH hielt eine Berücksichtigung des Ausfalls der Regressforderung aus der Bürgschaft bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für denkbar und verwies den Fall zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Der Ausfall einer Regressforderung des Bürgen gegen den Schuldner, nachdem der Bürge in Anspruch genommen worden ist, kann bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu einem steuerbaren Verlust führen, wenn die Regressforderung nach dem 31.12.2008 begründet worden ist; denn seit dem 1.1.2009 werden Wertzuwächse und -verluste von Kapitalforderungen des Privatvermögens steuerlich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erfasst.
  • Voraussetzung für eine derartige Berücksichtigung ist aber eine Einkünfteerzielungsabsicht, die vom BFH nicht abschließend geprüft werden kann. Für die Einkünfteerzielungsabsicht kommt es auf den Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft an.
  • Grundsätzlich spricht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eine widerlegbare Vermutung für eine Einkünfteerzielungsabsicht. Dies gilt auch bei einer unentgeltlich übernommenen Bürgschaft, wenn sie unter fremden Dritten übernommen worden ist. Erst wenn für eine unentgeltlich übernommene Bürgschaft jeglicher wirtschaftliche Hintergrund fehlt, ist die Vermutung einer Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt.

Hinweise: Das FG muss nun aufklären, ob ein wirtschaftlicher Hintergrund für die Bürgschaftsübernahme fehlte. Es gab zwar ein persönliches Beziehungsgeflecht zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin, die mit dem Gesellschafter der Z-GmbH noch verheiratet war, aber von diesem schon getrennt lebte. Jedoch gab es auch Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Z-GmbH, die – trotz der persönlichen Beziehungen und Veränderungen unter den beteiligten Personen – auch noch im Streitjahr bestanden; so hatte der Kläger im Jahr 2012 ein verzinsliches Darlehen an die Z-GmbH gewährt, das ihm neben 7 % Zinsen auch eine Gewinnbeteiligung ermöglichen sollte. Dies könnte auf einen wirtschaftlichen Hintergrund für die Bürgschaftsübernahme hindeuten.

Das FG muss ferner auch prüfen, ob der Ausfallverlust dem Kläger im Streitjahr 2012 entstanden ist. Hierfür könnte sprechen, dass der Insolvenzverwalter der Z-GmbH bereits im März 2012 die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.

Nach aktueller Rechtslage ist ein Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kaum nutzbar, da er nur mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, nicht aber mit anderen Einkünften verrechnet werden kann.

Quelle: BFH, Urteil vom 1.7.2025 – VIII R 3/23; NWB

Allgemeinverfügung der Finanzverwaltung zum Solidaritätszuschlag

Die obersten Finanzbehörden der Länder weisen in einer sog. Allgemeinverfügung alle noch anhängigen Einsprüche gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für Veranlagungszeiträume vor 2020 zurück, soweit in den Einsprüchen die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags geltend gemacht wird.

Hintergrund: Der Solidaritätszuschlag ist verfassungsrechtlich umstritten, weil es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine sog. Ergänzungsabgabe handelt. Allerdings haben sowohl der Bundesfinanzhof als auch das Bundesverfassungsgericht bislang die Verfassungsmäßigkeit des Soli bestätigt.

Inhalt der Allgemeinverfügung:

  • Anhängige Einsprüche, die die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für Veranlagungszeiträume vor 2020 betreffen, werden mit der Allgemeinverfügung zurückgewiesen.
  • Gleiches gilt für Anträge auf Aufhebung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags für Veranlagungszeiträume vor 2020, wenn die Anträge außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellt worden sind.

Hinweise: Bei der Allgemeinverfügung handelt es sich um eine Art „Massen-Einspruchsentscheidung“, mit der eine Vielzahl von Einsprüchen bzw. Anträgen gleichzeitig zurückgewiesen wird. Die betroffenen Steuerpflichtigen können hiergegen beim Finanzgericht klagen; die Klagefrist beträgt ein Jahr.

Im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird an der Erhebung des Solidaritätszuschlags bei Spitzenverdienern festgehalten.

Quelle: Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 4.8.2025; NWB

Mindestbesteuerung ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält die sog. Mindestgewinnbesteuerung, nach der Verluste nur maximal bis zur Höhe von 1 Mio. € mit einem Gewinn des Folgejahres verrechnet werden dürfen und der darüber hinausgehende Gewinn trotz vorhandenen Verlustvortrags mit 40 % versteuert werden muss, für verfassungsgemäß.

Hintergrund: Grundsätzlich kann ein Verlust mit positiven Einkünften eines Folgejahres verrechnet werden. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Höchstgrenze von 1 Mio. € eingeführt. Eine Verlustverrechnung kann uneingeschränkt nur in Höhe von 1 Mio. € erfolgen; darüber hinaus kann der Verlust nach der Rechtslage bis einschließlich 2023 nur zu 60 % ausgeglichen werden, so dass 40 % der positiven Einkünfte des Folgejahres versteuert werden müssen; dies nennt man Mindestbesteuerung , die es bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer gibt.

Beispiel: A erzielt im Jahr 01 einen Verlust in Höhe von 2 Mio. € und im Folgejahr einen Gewinn in Höhe von 2 Mio. €. Er kann von dem Gewinn des Jahres 02 einen Verlust aus 01 in Höhe von 1 Mio. € abziehen sowie darüber hinaus noch 600.000 € (nämlich 60 % des übersteigenden Betrags). Daher muss er 400.000 € Gewinn im Jahr 02 versteuern. Ihm verbleibt aber noch ein Verlustvortrag von 400.000 €, den er in den Folgejahren ab 03 noch nutzen kann. Zur geänderten Rechtslage ab 2024 s. Hinweise unten.

Sachverhalt: Die B-GmbH hatte zum 31.12.2004 aus der Abschreibung einer hohen Forderung einen Verlust in Höhe von ca. 46 Mio. € erlitten. Zwei Jahre später buchte sie die Forderung wieder ein und wies für das Jahr 2006 einen Gewinn in Höhe von ca. 75 Mio. € aus. Sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer kam es nun zu einer Mindestbesteuerung im Jahr 2008, da im Jahr 2008 der sog. Abwicklungszeitraum der zwischenzeitlich insolvent gewordenen B-GmbH endete. Der Fall kam zum Bundesfinanzhof, der im Jahr 2014 das BVerfG anrief, weil er die Mindestbesteuerung für verfassungswidrig hielt.

Entscheidung: Das BVerfG hält die Mindestbesteuerung für verfassungsgemäß:

  • Die Mindestbesteuerung führt zwar zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, deren Verlustvorträge maximal 1 Mio. € betragen, gegenüber Steuerpflichtigen, deren Verlustvortrag höher als 1 Mio. € ist. Denn nur bei den Steuerpflichtigen, deren Verlustvortrag höher ist als 1 Mio. €, droht eine Mindestgewinnbesteuerung.
  • Diese Ungleichbehandlung ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Denn die Mindestbesteuerung dient der kontinuierlichen und gegenwartsnahen Besteuerung als sog. besonderem Fiskalzweck. Der Gesetzgeber wollte mit der Mindestbesteuerung sicherstellen, dass trotz hoher Verlustvorträge Steuern gezahlt werden.
  • Der sog. Sockelbetrag in Höhe von 1 Mio. € ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; denn er knüpft an die Größenordnung an, die im Mittelstandsbereich vorkommt.
  • Die Mindestbesteuerung ist auch dann verfassungsgemäß, wenn der Verlustvortrag, der wegen Überschreitung des Sockelbetrags von 1 Mio. € nicht vollständig genutzt werden konnte, endgültig untergeht, weil z.B. das Unternehmen in Insolvenz geht oder aus anderen Gründen der Betrieb eingestellt wird. Ein solcher „Definitivverlust“, d.h. endgültiger Verlustuntergang, ist nämlich keine unmittelbare Folge der Mindestbesteuerung , sondern Ausfluss des allgemeinen Unternehmerrisikos. So kann es auch bei einem Unternehmen, das einen Verlustvortrag von weniger als 1 Mio. € hat, zu einem sog. Definitivverlust kommen, weil es etwa keine Gewinne mehr erzielt oder den Betrieb einstellen muss.

Hinweise: Die Mindestbesteuerung greift in der Regel bei Unternehmen mit hohen Verlusten und Gewinnen, wenn z.B. ein Unternehmen, das über Jahre hohe Verluste erzielt hat, seinen Betrieb einstellt und sein Anlagevermögen bei der Betriebsaufgabe mit hohem Gewinn verkauft (z.B. ein Leasingunternehmen, das Flugzeuge verleast). Die Mindestbesteuerung ist nicht auf Unternehmer beschränkt, sondern gilt für alle Steuerpflichtigen, die über hohe Verlustvorträge verfügen und diese in einem Folgejahr mit hohen positiven Einkünften (z.B. aus Vermietung und Verpachtung) verrechnen wollen.

In den Veranlagungszeiträumen 2024 bis 2027 ist die Mindestbesteuerung für die Einkommen- und Körperschaftsteuer von 40 % auf 30 % gesenkt worden.

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 23.7.2025 – 2 BvL 19/14; NWB

Rückabwicklung einer Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Eine Anteilsübertragung kann aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht werden, so dass auch der Gewinn aus der Anteilsübertragung nicht mehr versteuert werden muss. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kann anzunehmen sein, wenn beide Vertragspartner davon ausgegangen sind, dass die Anteilsübertragung keine Einkommensteuer auslöst, und die Vertragspartner zusammenveranlagt werden, also beide die Einkommensteuer schulden.

Hintergrund: Wer in den letzten fünf Jahren mit mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war und die Anteile mit Gewinn verkauft, muss den Gewinn als gewerbliche Einkünfte versteuern. Der Gewinn ist nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 % steuerpflichtig.

Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute. Der Kläger (Ehemann) war zu 50 % an einer GmbH beteiligt. Die Kläger beschlossen, die Gütertrennung zu vereinbaren. Der hierdurch entstehende Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau sollte durch die Übertragung der GmbH-Anteile und im Übrigen durch eine Barzahlung erfüllt werden. Nach der schriftlich erteilten Auskunft ihres Steuerberaters sollte die Übertragung der GmbH-Anteile einkommensteuerlich unschädlich sein. Tatsächlich erfasste das Finanzamt aber einen Gewinn aus der Anteilsübertragung bei der Einkommensteuer. Die Kläger machten daraufhin die Anteilsübertragung im Jahr 2020 rückgängig und begründeten dies mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage, weil sie irrtümlicherweise davon ausgegangen seien, dass die Anteilsübertragung keine Einkommensteuer auslöse. Das Finanzamt hielt an der Steuerpflicht der Anteilsübertragung für das Jahr 2019 fest.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar war der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Anteilsübertragung auf seine Ehefrau im Jahr 2019 mit mindestens 1 % an der GmbH beteiligt; zudem wird eine Veräußerung von GmbH-Anteilen auch dann einkommensteuerlich erfasst, wenn die Übertragung der Anteile zur Erfüllung eines Ausgleichsanspruchs aufgrund der Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft erfolgt.
  • Jedoch ist die Anteilsübertragung rückgängig gemacht worden, so dass der Veräußerungsgewinn rückwirkend entfallen ist. Diese Rückwirkung ergibt sich aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Zivilrechtlich kann nämlich eine Anpassung eines Vertrags geboten sein, wenn sich Umstände, die zur Vertragsgrundlage gehören, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Vertragspartner den Vertrag nicht oder aber mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorhergesehen hätten; weitere Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist, dass einem der Vertragspartner das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dieser zivilrechtliche Grundsatz lässt sich auch auf das Steuerrecht übertragen, wenn der Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Rechtsgeschäft „angelegt“ ist.
  • Im Streitfall gehörte zur Geschäftsgrundlage der Anteilsübertragung, dass aus dieser keine einkommensteuerliche Belastung resultiert. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Anteilsübertragung; die möglichen steuerlichen Folgen der Anteilsübertragung sind aber vor dem Vertragsschluss ausdrücklich erörtert worden. Die unerwartet entstandene steuerliche Belastung war auch für beide Vertragspartner – und nicht nur für den veräußernden Kläger – relevant, weil die Vertragspartner Eheleute waren und zusammenveranlagt wurden; die steuerliche Belastung traf daher beide Eheleute.

Hinweise: Zwar ist das Urteil für die Kläger erfreulich, weil der BFH die steuerliche Rückwirkung der Rückgängigmachung der Anteilsübertragung anerkannt hat. Dennoch hätte die Entscheidung auch anders ausfallen können, weil sich der BFH im Wesentlichen auf die Würdigung der Vorinstanz (Finanzgericht) gestützt hat. Je nach den Umständen des Einzelfalls und der Würdigung durch das Finanzgericht kann sich daher auch ein anderes Ergebnis bezüglich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben. So hätte es – wie der BFH andeutet – für das Finanzgericht auch in Betracht kommen können, die Kläger zu den Umständen des Abschlusses der Vereinbarung der Gütertrennung zu befragen und sich Unterlagen vorlegen zu lassen. Die Beweislast für den Wegfall einer Geschäftsgrundlage liegt nämlich beim Steuerpflichtigen.

Unbeachtlich ist, wann das Finanzamt von den Umständen, die zur Geschäftsgrundlage geworden sind, Kenntnis erlangt hat.

Die Änderung des Steuerbescheids für 2019 zugunsten der Kläger war verfahrensrechtlich kein Problem, da die Kläger den Bescheid fristgerecht angefochten haben. Wäre der Bescheid bereits bestandskräftig gewesen, wäre gleichwohl eine Änderung des Bescheids zugunsten der Kläger möglich gewesen; denn nach dem Gesetz kann ein Bescheid aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses geändert werden. Dieses rückwirkende Ereignis war in der Rückgängigmachung im Jahr 2020 aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu sehen.

Quelle: BFH, Urteil vom 9.5.2025 – IX R 4/23; NWB