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Wegzugsbesteuerung bei vorübergehendem Umzug ins Ausland

Gibt ein Steuerpflichtiger, der an einer GmbH mit mindestens 1 % beteiligt ist, seinen Wohnsitz in Deutschland auf, muss er zwar im Rahmen der sog. Wegzugsbesteuerung den Wertzuwachs, der bei seiner GmbH-Beteiligung eingetreten ist, aufgrund des Wegzugs ins Ausland grundsätzlich versteuern. Diese Versteuerung entfällt jedoch, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig wird; für diesen Wegfall der Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige bei dem Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht gehabt hat.

Hintergrund: Beendet ein Steuerpflichtiger seine seit mindestens zwölf Jahren bestehende unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, indem er ins Ausland zieht, kann es zu einer sog. Wegzugbesteuerung kommen, wenn der Steuerpflichtige wesentlich an einer GmbH beteiligt ist, also mit mindestens 1 %. Er muss dann die Differenz zwischen dem gemeinen Wert seiner GmbH-Anteile und den Anschaffungskosten versteuern, obwohl er die Anteile gar nicht verkauft hat. Nach dem Gesetz entfällt die Wegzugbesteuerung aber, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland innerhalb von sieben Jahren wieder begründet wird. Das Finanzamt kann diese Frist um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht.

Sachverhalt: Der Kläger war an mehreren GmbHs mit mindestens 1 % beteiligt und zog am 1.3.2014 von Deutschland nach Dubai. In seiner Ende 2015 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2014 machte der Kläger geltend, dass eine Wegzugbesteuerung nicht greife, weil er ab dem 1.1.2016 wieder in Deutschland wohne. Das Finanzamt folgte der Auffassung nicht, weil es eine Rückkehrabsicht des Klägers verneinte.

Entscheidung: Der BFH gab der Klage, die noch einen weiteren streitigen Punkt betraf, hinsichtlich der Wegzugbesteuerung statt:

  • Die Voraussetzungen der Wegzugbesteuerung lagen zwar an sich vor: Der Kläger war seit mindestens zehn Jahren (aktuelle Rechtslage: mindestens zwölf Jahre) unbeschränkt steuerpflichtig, und er war an mehreren GmbHs wesentlich beteiligt. Damit galt der Wegzug ins Ausland unter Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht als Veräußerung der GmbH-Beteiligungen, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten waren.
  • Allerdings ist die Wegzugbesteuerung dadurch entfallen, dass der Kläger innerhalb von fünf Jahren (aktuelle Rechtslage: innerhalb von sieben Jahren) nach seinem Umzug nach Dubai wieder unbeschränkt steuerpflichtig geworden ist. Denn der Kläger ist zum 1.1.2016 wieder nach Deutschland gezogen, so dass er nur vorübergehend abwesend war.
  • Für den Wegfall der Wegzugbesteuerung ist eine Rückkehrabsicht nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Frist wieder nach Deutschland zurückkehrt und hier unbeschränkt steuerpflichtig wird. Die Rückkehrabsicht spielt nur eine Rolle, wenn die gesetzliche Frist vom Finanzamt verlängert werden soll.

Hinweise: Die Rechtslage hat sich mittlerweile geändert, weil die Wegzugbesteuerung nur greift, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht zwölf Jahre bestand und weil die Wegzugbesteuerung entfällt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Im Streitjahr 2014 kam es für den Fall der Verlängerung der Frist durch das Finanzamt zusätzlich darauf an, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind.

Die sog. Rückkehrerregelung (Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug) wird vom BFH zugunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt; nach dem aktuellen Urteil muss nämlich nicht ermittelt werden, ob der Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht hatte. Der BFH widerspricht insoweit der Finanzverwaltung.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 – I R 55/19; NWB

Umsatzsteuerliche Organschaft mit einer GmbH & Co. KG

Eine umsatzsteuerliche Organschaft kann nach geänderter Rechtsprechung nicht nur mit einer Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft, sondern auch mit einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft geführt werden, selbst wenn nicht sämtliche Gesellschafter der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Allerdings muss die GmbH & Co. KG nach allgemeinen Grundsätzen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Beruft sich eine GmbH & Co. KG auf die geänderte Rechtsprechung und möchte sie nunmehr als Organgesellschaft behandelt werden, setzt die Aufhebung der ihr gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheide nach dem Grundsatz von Treu und Glauben voraus, dass der Organträger einer Erhöhung seiner Umsatzsteuerfestsetzung zustimmt und einen entsprechenden Antrag stellt.

Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf und schuldet keine Umsatzsteuer. Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht kann nur eine Kapitalgesellschaft eine Organgesellschaft sein.

Sachverhalt: Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren der AV mit 80 % und der SA mit 20 %; Komplementärin war die A-GmbH, an der VA mit 80 % und SA mit 20 % beteiligt waren. VA verpachtete das Betriebsgrundstück und Maschinen an die GmbH & Co. KG. Die GmbH & Co. KG gab zunächst eine Umsatzsteuererklärung für 2010 ab und ging daher nicht von einer Organschaft mit VA als Organträger aus. Am 31.12.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab im Jahr 2015 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2010 mit Umsätzen in Höhe von 0 € ab und machte damit eine Organschaft mit VA als Organträger geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Entgegen dem deutschen Umsatzsteuerrecht kann auch eine GmbH & Co. KG als sog. kapitalistische Personengesellschaft eine Organgesellschaft sein; dies ergibt sich aus der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die deutsche Regelung als europarechtswidrig ansieht.
  • Die GmbH & Co. KG war in das Unternehmen des VA eingegliedert: So bestand eine finanzielle Eingliederung, da VA die Stimmenmehrheit an der GmbH & Co. KG hielt. Die GmbH & Co. KG war auch organisatorisch in das Unternehmen des VA eingegliedert, da VA der einzige Geschäftsführer der A-GmbH war, die für die GmbH & Co. KG geschäftsführungs- und vertretungsbefugt war. Schließlich war die GmbH & Co. KG auch wirtschaftlich in das Unternehmen des VA eingegliedert, da VA die wesentlichen Betriebsgrundlagen an die GmbH & Co. KG verpachtet hatte.
  • Zwar könnte sich danach der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG auf die geänderte Rechtsprechung berufen und eine Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für 2010 beantragen, weil nur der VA als Organträger die Umsatzsteuer schuldet. Es droht dann aber ein Steuerausfall, weil die Umsatzsteuer des VA ohne dessen Zustimmung nicht mehr erhöht werden kann; VA ist vor einer Anwendung der geänderten Rechtsprechung nämlich durch den gesetzlichen Vertrauensschutz geschützt. Der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG kann daher nur dann die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für 2010 mit Erfolg durchsetzen, wenn VA einer Erhöhung seiner Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 zustimmt.
  • Dieses Zustimmungserfordernis folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben; denn es wäre treuwidrig, wenn sich die GmbH & Co. KG auf die neue Rechtsprechung stützen würde, um eine Aufhebung ihrer Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 zu erreichen, während sich VA auf die bisherige Rechtsprechung und den sich hieraus ergebenden gesetzlichen Vertrauensschutz berufen würde, um eine Erhöhung seiner Umsatzsteuer zu vermeiden.

Hinweis: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob VA seine Zustimmung zu einer Erhöhung seiner Umsatzsteuer 2010 erteilt. Dabei muss das FG vor allem prüfen, ob die Festsetzungsfrist für VA noch läuft, so dass er die Zustimmung noch erteilen kann, oder ob die Festsetzungsfrist für VA bereits abgelaufen ist. Dies hängt im Ergebnis davon ab, ob es bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 2010 für die GmbH & Co. KG erkennbar war, dass keine Organschaft berücksichtigt wird. Die Prüfung wird möglicherweise schnell durchgeführt werden können, weil nicht zu erwarten ist, dass VA einer Erhöhung seiner Umsatzsteuer 2010 zustimmt, nachdem über das Vermögen „seiner“ GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 16.3.2022 – V R 14/21 (V R 45/19); NWB

Bewertung einer GmbH-Beteiligung mit disquotalem Stimm- und Gewinnbezugsrecht

Eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Gewinnbezugsrechte prozentual niedriger sind als die eigentliche Beteiligungsquote, ist niedrigerer zu bewerten als eine GmbH-Beteiligung, deren Stimm- und Bezugsrechte quotal ausgestaltet sind, also der Beteiligungsquote entsprechen. Bei einem disquotal ausgestalteten Stimm- und Gewinnbezugsrecht handelt es sich nämlich um einen preisbeeinflussenden Umstand und nicht um ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, die bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen wären.

Hintergrund: Sachspenden müssen bewertet werden, damit der Spendenabzug bei der Einkommensteuer in der richtigen Höhe erfolgen kann. Zu den Sachspenden können auch GmbH-Beteiligungen gehören. Sachspenden, die aus dem Privatvermögen stammen, werden grundsätzlich mit dem gemeinen Wert bewertet. Dies ist der Preis, der bei einer Veräußerung im allgemeinen Geschäftsverkehr erzielt werden kann.

Sachverhalt: Der Kläger war zusammen mit vier anderen Gesellschaftern an einer GmbH beteiligt. Sie schenkten die GmbH-Beteiligung im Umfang von 89 % einer gemeinnützigen Stiftung; das Stimm- und Gewinnbezugsrecht der GmbH-Beteiligung betrug aber nur jeweils 1 % und nicht 89 %. Die Stiftung erteilte dem Kläger und seinen vier Mitgesellschaftern Spendenbescheinigungen, in denen der Wert der geschenkten Beteiligung mit ca. 41 Mio. € angegeben wurde, von denen jeweils 20 % auf den Kläger und die anderen Gesellschafter entfielen, d.h. ca. 8,2 Mio. €/Gesellschafter. Das Finanzamt ging jedoch nur von einem Wert pro Gesellschafter in Höhe von ca. 1,5 Mio. € aus (Gesamtwert der Beteiligung nach dem Finanzamt also ca. 7,5 Mio. €).

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Im Grundsatz zutreffend haben Finanzamt und Finanzgericht das disquotale Stimm- und Gewinnbezugsrecht von jeweils nur 1 % als wertmindernd berücksichtigt. Denn das disquotale Stimmrecht und das disquotale Gewinnbezugsrecht waren im Gesellschaftsvertrag vereinbart und daher ein preisbeeinflussender Umstand.
  • Bei der Bewertung sind zwar ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Dies betrifft aber nur Verhältnisse, die mit der Person des aktuellen Gesellschafters verknüpft sind. Sowohl das disquotale Stimmrecht als auch das disquotale Gewinnbezugsrecht waren aber mit dem Anteil verbunden und nicht mit der Person des Klägers.
  • Die Zurückverweisung erfolgt, weil dem FG bei der Bewertung Widersprüche unterlaufen sind.

Hinweise: Zu klären ist auch noch, ob der Kläger auf die fehlerhafte Spendenbescheinigung vertrauen durfte. Zwar besteht nach dem Gesetz grundsätzlich Vertrauensschutz, wenn eine Spendenbescheinigung ausgestellt wird; dies gilt aber nicht, wenn dem Spender die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Dem BFH zufolge ist dem Kläger dabei die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von Personen, die er in Ausweitung seines Risikobereichs in die Abwicklung der Spende eingeschaltet hat, zuzurechnen. Die Beweislast hierfür liegt aber beim Finanzamt; allerdings muss der Kläger auch bei der Aufklärung mitwirken. Für eine Kenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit der Spendenbescheinigung könnte sprechen, dass der Kläger ein erfolgreicher Unternehmer war und durchaus gewusst haben dürfte, dass die GmbH-Beteiligung mit einem disquotalen Stimm- und Gewinnbezugsrecht ausgestaltet war.

Quelle: BFH, Urteil v. 16.11.2020 – X R 17/20; NWB

Haftung eines GmbH-Geschäftsführers, der nur als Strohmann eingesetzt war

Ein GmbH-Geschäftsführer haftet für die von der GmbH nicht entrichteten Betriebssteuern, wenn er nur als Strohmann eingesetzt war und den faktischen Geschäftsführer, der fehlerhafte Steuererklärungen veranlasst hat, nicht überwacht hat. Diese Haftung besteht auch dann, wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sein sollte, den faktischen Geschäftsführer zu überwachen bzw. den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen; der Geschäftsführer hätte dann nämlich den Posten des Geschäftsführers gar nicht erst annehmen dürfen oder aber niederlegen müssen.

Hintergrund: Nach dem Gesetz haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit Steuern der GmbH infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der A-GmbH. Faktischer Geschäftsführer der A-GmbH war allerdings sein Sohn, der die Geschäftsführung tatsächlich wahrnahm. Der Sohn des Klägers hatte im Zeitraum 2007 bis 2011 67 Scheinrechnungen als Betriebsausgaben gebucht sowie weitere 34 Aufwandsbuchungen getätigt, für die es keine Belege gab und für die ebenfalls keine Leistungen erbracht worden waren. Die von der A-GmbH eingereichten Steuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2011 waren dementsprechend fehlerhaft. Die Steuerfahndung deckte den Sachverhalt auf und erließ gegenüber der A-GmbH Änderungsbescheide für den Zeitraum 2007 bis 2011, die zu Steuernachzahlungen führten. Die A-GmbH zahlte die Steuern nicht, sondern meldete im Jahr 2013 Insolvenz an. Das Finanzamt nahm daraufhin den Kläger als Geschäftsführer für die nicht entrichteten Steuern durch Haftungsbescheid in Anspruch und legte dabei eine Haftungsquote von 82,39 % zugrunde.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage gegen den Haftungsbescheid ab:

  • Der Kläger durfte durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Er war Geschäftsführer der A-GmbH und damit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der A-GmbH verantwortlich. Diese Pflichten hat er schuldhaft verletzt.
  • So hat der Kläger die Abgabe fehlerhafter Steuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2011 zu verantworten. Und er hat die aus den späteren Änderungsbescheiden folgenden Steuern nicht aus den Mitteln der A-GmbH bezahlt.
  • Zwar muss ein Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten nicht selbst erfüllen, sondern darf diese Aufgaben delegieren. Er muss dann aber die Person, die er mit der Erledigung der steuerlichen Aufgaben betreut, sorgfältig auswählen und laufend überwachen. Unterlässt er dies, trifft ihn ein Überwachungsverschulden. Je geringer die steuerliche Kenntnis des Geschäftsführers sind, desto gründlicher muss er die Person überwachen.
  • Der Kläger konnte sich nicht dadurch entschuldigen, dass er mit den Aufgaben eines Geschäftsführers überfordert war und z.B. keine ausreichenden EDV-Kenntnisse hatte, um die fehlerhafte Buchführung aufzudecken. Denn dann hätte er die Geschäftsführerposition gar nicht erst übernehmen dürfen oder jedenfalls umgehend niederlegen müssen.

Hinweise: Die weiteren Voraussetzungen des Haftungsbescheids waren erfüllt. So war dem Finanzamt ein Haftungsschaden entstanden, da die A-GmbH die Steuern, die sich aus den Änderungsbescheiden ergeben hatten, nicht entrichtetet hatte. Auch die Haftungsquote, bei der es um die Tilgungsquote geht, die bei Erfüllung der steuerlichen Pflichten geleistet worden wäre, war mangels weiterer Aufklärbarkeit des Sachverhalts nicht zu beanstanden.

Der BFH macht deutlich, dass ein GmbH-Geschäftsführer, der nur als Strohmann agiert und einen faktischen Geschäftsführer agieren lässt, für die betrieblichen Steuern der GmbH haftet. Er kann sich nicht auf das eigene Unvermögen berufen, sondern muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich auf die faktische Geschäftsführung durch einen anderen eingelassen hat.

Sofern der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen haben sollte, hätte er auch als Steuerhinterzieher gehaftet, ohne dass es auf seine Geschäftsführerposition angekommen wäre. Allerdings war das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.11.2022 – VII R 23/19; NWB

Keine Anfechtung des Feststellungsbescheids der GmbH durch Gesellschafter

Der Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, der gegenüber der GmbH ergeht, kann nur durch die GmbH angefochten werden, nicht aber durch einen Gesellschafter der GmbH. Der Gesellschafter hat kein sog. Drittanfechtungsrecht, auch wenn ihn der Bescheid mittelbar betrifft.

Hintergrund: Die Einlagen, die die Gesellschafter einer GmbH in die GmbH einzahlen, werden im sog. steuerlichen Einlagekonto festgehalten und festgestellt. Hierzu ergeht jedes Jahr ein Feststellungsbescheid. Werden die Einlagen später an die Gesellschafter zurückgezahlt, kann dies steuerfrei erfolgen, wenn u.a. die Einlagen vorher im steuerlichen Einlagekonto festgestellt worden waren. Ohne diese Feststellung kann die Rückgewähr der Einlagen nicht steuerfrei erfolgen, sondern wird als Ausschüttung mit 25 % besteuert.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine dänische AG, die Gesellschafterin der in Deutschland ansässigen D-GmbH war. Die Klägerin tätigte im Jahr 2007 eine Einlage in Höhe von 800.000 € in die Kapitalrücklage der D-GmbH. Allerdings wurde die Einlage in der Erklärung über das steuerliche Einlagekonto der D-GmbH zum 31.12.2007 zu Unrecht nicht erklärt und daher im Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto vom 22.12.2008 nicht festgestellt. Der Bescheid wurde nur der D-GmbH, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben; die D-GmbH legte gegen den Bescheid keinen Einspruch ein. Am 18.1.2018 legte die Klägerin Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein und erhob anschließend Klage. Das Finanzamt hielt den Einspruch und die Klage für unzulässig.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2007 richtete sich gegen die D-GmbH und konnte daher nur von der D-GmbH angefochten werden. Diese Anfechtung war aber unterblieben, weil die D-GmbH gegen den Bescheid keinen Einspruch eingelegt hatte.
  • Die Klägerin war nur Gesellschafterin der D-GmbH und konnte daher den Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto nicht anfechten. Der Klägerin stand kein sog. Drittanfechtungsrecht zu.
  • Zwar ist die Klägerin vom Inhalt des Bescheids betroffen, weil die von ihr geleisteten Einlagen später nicht steuerfrei an sie zurückgewährt werden können. Dennoch führt dies nicht zu einem Drittanfechtungsrecht. Denn würde man jedem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Anfechtungsrecht einräumen, hinge die Bestandskraft des Bescheids davon ab, ob und wann der einzelne Gesellschafter Einspruch einlegt; dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Einspruchsfrist erst mit der jeweiligen Bekanntgabe an den einzelnen Gesellschafter beginnt, so dass hier für jeden Gesellschafter die Einspruchsfrist unterschiedlich beginnen könnte. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Verjährung.

Hinweise: Der Gesellschafter muss über seine Stellung als Gesellschafter versuchen, die Kapitalgesellschaft dazu zu bewegen, gegen einen fehlerhaften Feststellungsbescheid Einspruch einzulegen. Dies wird allerdings in der Praxis allenfalls dann gelingen können, wenn der Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Kapitalgesellschaft hat.

Wird ein fehlerhafter Feststellungsbescheid bestandskräftig, weil er nicht von der Kapitalgesellschaft angefochten worden ist, wirkt sich die Einlage des Gesellschafters jedenfalls im Fall der Veräußerung oder Aufgabe seiner Beteiligung an der Kapitalgesellschaft steuerlich vorteilhaft aus; denn sie mindert dann als nachträgliche Anschaffungskosten den Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn.

Ein Drittanfechtungsrecht wird mitunter im Steuerrecht anerkannt. Allerdings handelt es sich dann um einmalige Sachverhalte wie z.B. der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft. Hier kann der einbringende Gesellschafter einen fehlerhaften Wertansatz im Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft anfechten, weil ein überhöhter Wertansatz seinen Veräußerungserlös erhöht. Im Streitfall ging es jedoch nicht um einen einmaligen Sachverhalt, sondern der Feststellungsbescheid über das steuerliche Einlagekonto ist ein Dauersachverhalt, weil die Feststellung in jedem Jahr erfolgt.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 – I R 53/19; NWB