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Kein Wechsel der Gewinnermittlungsart nach Abgabe der Bilanz

Ein Unternehmer, der nicht buchführungspflichtig ist, aber freiwillig bilanziert, kann nach Übermittlung der Bilanz an das Finanzamt nicht mehr zur Einnahmen-Überschussrechnung wechseln. Dieser Wechsel ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich aus der Einnahmen-Überschussrechnung ein niedrigerer Gewinn ergibt, mit dem ein steuerliches Mehrergebnis, das sich aufgrund einer Außenprüfung ergibt, kompensiert werden soll.

Hintergrund: Unternehmer, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind wie z.B. Freiberufler, können ihren Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln anstatt durch eine Bilanz. Bei der Einnahmen-Überschussrechnung gilt das Zufluss- und Abflussprinzip, so dass Einnahmen im Zeitpunkt ihres Zuflusses als Betriebseinnahmen und Ausgaben im Zeitpunkt ihrer Bezahlung (Abfluss) als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Sachverhalt: Der Kläger war unternehmerisch tätig, jedoch nicht zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet. Er ermittelte seinen Gewinn bis einschließlich 2011 durch Einnahmen-Überschussrechnung. Ab dem Jahr 2012 bilanzierte er und gab nun Bilanzen beim Finanzamt ab. Er reichte für das Streitjahr 2016 beim Finanzamt eine Bilanz ein, aus der sich ein Gewinn in Höhe von ca. 20.000 € ergab. Das Finanzamt folgte der Bilanz; der Steuerbescheid für 2016 wurde bestandskräftig und stand auch nicht unter einem Vorbehalt der Nachprüfung. Das Finanzamt führte im Jahr 2019 eine Außenprüfung durch und erhöhte den Gewinn für 2016 auf ca. 33.000 €. Der Kläger legte gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein und reichte nunmehr eine Einnahmen-Überschussrechnung für 2016 ein, aus der sich ein Gewinn in Höhe von ca. 21.000 € ergab. Das Finanzamt hielt den Wechsel von der Bilanzierung zur Einnahmen-Überschussrechnung für unzulässig.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Kläger hatte grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung durch Bilanzierung und der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung, da er nicht buchführungspflichtig und deshalb nicht zur Bilanzierung verpflichtet war.
  • Dieses Wahlrecht hatte der Kläger mit der Einreichung der Bilanz für 2016 beim Finanzamt ausgeübt und sich damit für die Bilanzierung entschieden. Das Wahlrecht wird nämlich zugunsten der Bilanzierung ausgeübt, wenn der Unternehmer eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und nach Inventur eine Bilanz erstellt, die er als endgültig ansieht und deshalb beim Finanzamt einreicht.
  • Die so für 2016 getroffene Wahl konnte der Kläger nicht mehr ändern. Ein Wechsel der Gewinnermittlung für denselben Gewinnermittlungszeitraum, für den das Wahlrecht bereits ausgeübt worden ist (im Streitfall: 2016), ist nur dann möglich, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben und es einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den Wechsel der Gewinnermittlung gibt. Im Streitfall gab es jedoch keinen wirtschaftlichen Grund, da es dem Kläger lediglich darum ging, das Mehrergebnis aus der Außenprüfung zu kompensieren. Letztlich hat sich der Kläger über die steuerlichen Folgen des zugunsten der Bilanzierung ausgeübten Wahlrechts geirrt, weil sich nach der Bilanzierung ein höherer Gewinn ergab als nach der Einnahmen-Überschussrechnung.

Hinweise: Grundsätzlich können steuerliche Wahlrechte noch geändert werden, solange der Steuerbescheid verfahrensrechtlich offen ist. Dies gilt jedoch nicht für das Wahlrecht über die Art der Gewinnermittlung. Auf lange Sicht steht der Kläger durch die Bilanzierung dennoch nicht schlechter da als bei der Einnahmen-Überschussrechnung, weil der Gesamtgewinn, der für die gesamte Dauer des Unternehmens ermittelt wird, bei beiden Gewinnermittlungsarten identisch ist. Allerdings fällt der Gewinn in den einzelnen Jahren unterschiedlich aus, weil z.B. bei der Bilanzierung eine Forderung gewinnerhöhend aktiviert wird, während bei der Einnahmen-Überschussrechnung erst die Bezahlung der Forderung durch den Kunden den Gewinn erhöht.

Wird die Gewinnermittlungsart in einem Folgejahr geändert, ist der Unternehmer an die neue Gewinnermittlungsart grundsätzlich für drei Jahre gebunden. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart kann zu einem Gewinn oder Verlust führen, weil eine Anpassung an die neue Gewinnermittlungsart erfolgen muss. So müssen z.B. bei einem Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zur Bilanzierung Forderungen gewinnerhöhend und Verbindlichkeiten gewinnmindernd bilanziert werden. Ein sich hieraus ergebender Übergangsgewinn kann auf Antrag auf insgesamt drei Jahre verteilt werden. Hingegen kann ein Übergangsverlust nicht verteilt werden.

Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 1/23; NWB

Keine erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer bei Verkauf der letzten Immobilie einen Tag vor Jahresende

Eine Kapitalgesellschaft hat keinen Anspruch auf die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer, wenn sie ihre letzte bzw. einzige Immobilie ab Beginn des 31.12. des Streitjahres verkauft. Denn dann war sie nicht während des gesamten Erhebungszeitraums, sondern nur bis zum 30.12. ausschließlich grundstücksverwaltend tätig.

Hintergrund: Unternehmen, die nur aufgrund ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaft oder aufgrund ihrer gewerblichen Prägung als GmbH & Co. KG gewerbesteuerpflichtig sind, tatsächlich aber ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, können eine sog. erweiterte Gewerbesteuerkürzung beantragen. Der Ertrag aus der Grundstücksverwaltung und -nutzung sowie aus dem Verkauf der vermieteten Immobilie unterliegt dann nicht der Gewerbesteuer.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag verwaltete und veräußerte sie Immobilien. Im Jahr 2013 erwarb sie eine Immobilie in der F-Straße, die sie als Umlaufvermögen bilanzierte und im Jahr 2014 veräußerte. Im November 2015 erwarb sie eine vermietete Immobilie in der G-Straße, die sie im November 2016 veräußerte. Dem Verkaufsvertrag zufolge sollte der Nutzen- und Lastenwechsel „am Beginn des 31.12.2016“ erfolgen. Die Klägerin beantragte die erweiterte Gewerbesteuerkürzung, die das Finanzamt nicht anerkannte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung setzt voraus, dass die Gesellschaft während des gesamten Erhebungszeitraums eigenen Grundbesitz verwaltet.
  • Der Erhebungszeitraum der Klägerin ging im Streitjahr 2016 vom 1.1.2016 bis zum 31.12.2016 (24:00 Uhr). Bei einer Kapitalgesellschaft endet der Erhebungszeitraum für die Gewerbesteuer nicht bereits mit der Beendigung der eigentlichen Tätigkeit aus der Grundstücksverwaltung, sondern erst mit dem Abschluss der Verwertungstätigkeit im Rahmen der Abwicklung der Kapitalgesellschaft. Die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin hätte also nur dann vor dem Jahresende geendet, wenn sie im Lauf des Jahres 2016 jegliche Tätigkeit eingestellt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall, da die Klägerin am 31.12.2016 noch über Bankkonten verfügte.
  • Die Klägerin war nicht während des gesamten Erhebungszeitraums 2016 ausschließlich grundstücksverwaltend tätig, da ihre Verwaltung eigenen Grundbesitzes zu Beginn des 31.12.2016 endete. Am letzten Tag des Erhebungszeitraums 2016, nämlich am 31.12.2016, übte die Klägerin keine grundstücksverwaltende Tätigkeit mehr aus, da sie ihren gesamten bzw. einzigen Grundbesitz bereits „am Beginn des 31.12.“ veräußert hatte und damit am 31.12.2016 nicht mehr grundstücksverwaltend tätig sein konnte.

Hinweise: Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung scheiterte daran, dass die Klägerin ihre grundstücksverwaltende Tätigkeit nicht mehr am 31.12.2016 ausübte. Hätte die Klägerin mit dem Käufer einen Nutzen- und Lastenwechsel zum 31.12., 23:59 Uhr, vereinbart, wäre dies nach der Rechtsprechung des BFH ausreichend gewesen; denn der BFH akzeptiert eine Vereinbarung des Nutzen- und Lastenwechsels zum 31.12., 23:59 Uhr, als „technisch bedingte“ Ausnahme. Eine Ausdehnung dieser Ausnahme wegen Geringfügigkeit lehnt der BFH aber auch weiterhin ab.

Der BFH ist nicht auf die Frage eingegangen, ob die Klägerin nicht ohnehin gewerblich tätig war und bereits deshalb die erweiterte Gewerbesteuerkürzung zu versagen gewesen wäre. Denn immerhin war Unternehmensgegenstand laut Gesellschaftsvertrag der Klägerin auch die Veräußerung von Immobilien. Dies könnte für einen gewerblichen Grundstückshandel und gegen eine (dauerhafte) Grundstücksverwaltung sprechen, zumal die Klägerin beide Immobilien in der F-Straße und in der G-Straße relativ schnell wieder verkauft und die Immobilie in der F-Straße auch im Umlaufvermögen und damit als Ware aktiviert hat.

Auch wenn der Klägerin keine erweiterte Gewerbesteuerkürzung zustand, war ihr doch die einfache Kürzung zu gewähren, die sich auf 1,2 % des zum 1.1.2016 festgestellten Einheitswertes der Immobilie belief. Unbeachtlich war, dass die Immobilie in der G-Straße während des Jahres 2016 veräußert worden ist. Denn für die einfache Gewerbesteuerkürzung kommt es auf die Zugehörigkeit der Immobilie zu Beginn des Kalenderjahres an.

Quelle: BFH, Urteil vom 17.10.2024 – III R 1/23; NWB

Nachträglicher Betriebsausgabenabzug bei steuerfreiem Betrieb einer Photovoltaikanlage

Der Betreiber einer Photovoltaikanlage, die seit dem Jahr 2022 steuerfrei betrieben wird, kann im Jahr 2022 noch nachträgliche Betriebsausgaben, die den Zeitraum bis einschließlich 2021 betreffen, geltend machen. Die ab 2022 geltende Steuerfreiheit führt nicht dazu, dass Betriebsausgaben, die den Zeitraum bis einschließlich 2021 betreffen, nicht mehr abziehbar sind.

Hintergrund: Gewinne aus dem Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak) sind unter bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.1.2022 steuerfrei.

Sachverhalt: Der Antragsteller betrieb seit 2020 eine Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus. Die Einnahmen aus dem Betrieb der Anlage waren in den Jahren 2020 und 2021 steuerpflichtig, jedoch seit dem Jahr 2022 aufgrund der gesetzlich eingeführten Steuerfreiheit steuerfrei. Der Antragsteller zahlte im Streitjahr 2022 Steuerberatungskosten für die auf die Photovoltaikanlage entfallende Beratung in den Jahren 2020 und 2021 sowie Umsatzsteuer für 2020 und 2021, die auf Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in den Jahren 2020 und 2021 entfiel. Das Finanzamt erkannte weder die Steuerberatungskosten noch die Umsatzsteuernachzahlungen als Betriebsausgaben im Jahr 2022 an. Der Antragsteller beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2022.

Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt:

  • Sowohl die Umsatzsteuernachzahlungen als auch die Steuerberatungskosten waren durch den Betrieb der Photovoltaikanlage veranlasst und sind daher grundsätzlich Betriebsausgaben.
  • Die seit 2022 bestehende Steuerfreiheit für den Betrieb einer Photovoltaikanlage führt nicht dazu, dass im Jahr 2022 keine Betriebsausgaben mehr für Vorjahre geltend gemacht werden können. Zwar gibt es eine gesetzliche Regelung, nach der Ausgaben, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, nicht abgezogen werden dürfen. Diese Regelung greift im Streitfall jedoch nicht, weil weder die Steuerberatungskosten noch die Umsatzsteuerzahlungen mit den steuerfreien Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage im Jahr 2022 im Zusammenhang stehen. Vielmehr stehen die Steuerberatungskosten und die Umsatzsteuerzahlungen mit den steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in den Jahren 2020 und 2021 im Zusammenhang.

Hinweise: In einem weiteren Verfahren hat das FG Münster einer Klage auf Abzug sog. nachlaufender Betriebsausgaben ebenfalls stattgegeben. Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen X R 30/24 anhängig ist. Das Finanzgericht Nürnberg hat dagegen in einem vergleichbaren Fall den Betriebsausgabenabzug abgelehnt und dies damit begründet, dass seit dem Jahr 2022 ein Gewinnermittlungsverbot bestehe. Gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg ist ebenfalls Revision beim BFH eingelegt worden, so dass nun der BFH entscheiden muss, ob ein nachträglicher Betriebsausgabenabzug ab dem Jahr 2022 noch möglich ist.

Hätte der Antragsteller im Jahr 2022 noch nachträgliche Einnahmen für 2021 erhalten, wären diese nach dem Gesetz wohl steuerfrei. Dies ergibt sich allerdings aus der ausdrücklich ab 2022 angeordneten Steuerfreiheit, während es für nachträgliche Betriebsausgaben, die ab dem Jahr 2022 für Vorjahre gezahlt werden, an einer ausdrücklichen Regelung fehlt.

Quellen: FG Münster, Beschluss vom 21.10.2024 – 1 V 1757/24 E; FG Nürnberg, Urteil vom 19.9.2024 – 4 K 1440/23, BFH-Az. III R 35/24; NWB

Abfindung für die Aufhebung eines Nießbrauchsrechts an GmbH-Anteilen

Erhält ein Nießbrauchsberechtigter von GmbH-Anteilen, die zum Privatvermögen gehören, eine Abfindung für die Aufhebung des Nießbrauchs, ist dies für den Nießbrauchsberechtigten nur dann steuerbar, wenn er wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile war. Wirtschaftlicher Eigentümer ist er dann, wenn ihm neben dem Gewinnbezugsrecht auch die sog. Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht zustehen.

Hintergrund: Bei einem Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer das Eigentum auf einen anderen und behält sich das Nießbrauchsrecht vor, so dass ihm weiterhin die Erträge zustehen, während der neue Eigentümer keine Erträge erhält. In der Regel wird der Vorbehaltsnießbrauch bei Schenkungen an nahe Angehörige, insbesondere Übertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, eingesetzt.

Sachverhalt: Die Klägerin war an der Z-GmbH beteiligt. Sie übertrug im Jahr 2012 ihre Beteiligung unentgeltlich auf ihren Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dabei behielt sie sich den Nießbrauch an der Beteiligung vor; allerdings stand ihr nach dem Nießbrauch nur das Gewinnbezugsrecht zu, nicht jedoch auch das Stimmrecht. Im Jahr 2018 wollte der Sohn die Beteiligung veräußern, und zwar ohne Belastung mit dem Nießbrauchsrecht der Klägerin. Daher hoben der Sohn und die Klägerin das Nießbrauchsrecht gegen Zahlung einer Abfindung an die Klägerin auf. Das Finanzamt erfasste die Abfindung als nachträgliche Einkünfte aus dem Verkauf einer wesentlichen Beteiligung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte die Steuerbarkeit der Abfindung und gab der Klage statt:

  • Bei der Abfindung handelte es sich nicht um eine Entschädigung für entgangene Kapitaleinnahmen, d.h. für Dividenden. Zwar sind nach dem Gesetz Entschädigungen steuerpflichtig, wenn sie als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt werden. Dies setzt aber voraus, dass die entgangenen oder entgehenden Einnahmen steuerpflichtig gewesen wären.
  • Dies war im Streitfall zu verneinen. Die Klägerin musste die Dividenden seit 2012 nicht mehr versteuern, da die Dividenden ihrem Sohn als Anteilseigner zuzurechnen waren. Dem Nießbrauchsberechtigten von GmbH-Anteilen sind Dividenden nur dann steuerlich zuzurechnen, wenn er neben dem Gewinnbezugsrecht auch die Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht innehat. Denn nur dann kann der Nießbrauchsberechtigte entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der GmbH nehmen, so dass er einem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichsteht.
  • Der Klägerin standen die Mitverwaltungsrechte aber nicht zu, sondern nur das Gewinnbezugsrecht. Damit waren die Dividenden seit 2012 dem Sohn zuzurechnen, so dass die Abfindung keine Entschädigung für von der Klägerin zu versteuernde Dividenden sein konnte.
  • Die Abfindung führte auch nicht zu nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb. Zwar wird der Verkauf von GmbH-Anteilen bei einer Beteiligungsquote von mindestens 1 % als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt. Im Jahr 2018, als die Abfindung gezahlt wurde, konnte die Klägerin aber weder das zivilrechtliche noch das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der Z-GmbH auf ihren Sohn übertragen. Denn der Sohn hatte bereits im Jahr 2012 das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum erhalten. Die Klägerin hatte im Jahr 2018 nicht mehr das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen, da sie keine Mitverwaltungsrechte hatte.

Hinweise: Der BFH erkennt einen Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen steuerlich nur dann an, wenn der Nießbrauchsberechtigte neben dem Gewinnbezugsrecht auch die Mitverwaltungsrechte wie das Stimmrecht erhält; in diesem Fall muss der Nießbrauchsberechtigte die Dividenden versteuern, so dass auch eine spätere Abfindung steuerpflichtig wäre.

Beschränkt sich der Nießbrauch jedoch nur auf das Gewinnbezugsrecht, sind die Dividenden vom Anteilseigner – und nicht vom Nießbrauchsberechtigten – zu versteuern. Eine Abfindung ist dann nicht steuerbar.

Quelle: BFH, Urteil v. 20.9.2024 – IX R 5/24; NWB

Verspätete Versteuerung von Umsätzen bei der Umsatzsteuer

Versteuert ein Unternehmer seine Umsätze zu Unrecht jeweils erst ein Jahr später, wenn er das Entgelt vereinnahmt, und nicht bereits in dem Jahr, in dem er seine Leistung erbracht hat, kann er die erklärungsgemäß ergangene Umsatzsteuerfestsetzung anfechten, um die zeitlich zutreffende Zuordnung der Umsätze zu bewirken. Der Erfolg seiner Anfechtung ist nicht davon abhängig, dass das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für das Vorjahr noch ändern kann.

Hintergrund: Die Umsatzsteuer entsteht mit der Ausführung der Leistung, sog. Soll-Besteuerung. Nur wenn der Unternehmer die Ist-Besteuerung beantragt und die Voraussetzungen hierfür erfüllt (z. B. einen Jahresumsatz von aktuell 800.000 € nicht überschreitet), entsteht die Umsatzsteuer erst mit der Vereinnahmung des Entgelts.

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb eine Kfz-Werkstatt und versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Ihre Zahlungsansprüche, die sie gegenüber einem bestimmten Kfz-Hersteller hatte, buchte sie auf einem „Vergütungskonto“. Den sich zum 31.12. eines Jahres ergebenden Saldo des Vergütungskontos unterwarf die Klägerin zu Unrecht erst im jeweiligen Folgejahr, in dem sie das Entgelt vereinnahmte, der Umsatzsteuer. Nach einer Außenprüfung erhöhte der Prüfer die Umsätze des Jahres 2015 um den sich zum 31.12.2015 ergebenden Saldo des Vergütungskontos; außerdem erhöhte er aus anderen Gründen auch die Umsatzsteuer 2014. Die Klägerin legte gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2014 und 2015 Einspruch ein und machte geltend, dass bei der Umsatzsteuer 2015 der Vergütungssaldo vom 31.12.2014 sowie bei der Umsatzsteuer 2014 der Vergütungssaldo vom 31.12.2013 abgezogen werden müsse. Das Finanzamt half den Einsprüchen ab. Im Anschluss erhöhte es nun aber die Umsatzsteuer für 2013 um den Vergütungssaldo vom 31.12.2013. Hiergegen wandte sich die Klägerin und beantragte die Minderung der Umsatzsteuer 2013 um den Vergütungssaldo vom 31.12.2012, der bislang in der Bemessungsgrundlage für 2013 enthalten war. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 2013 durfte der Vergütungssaldo vom 31.12.2012 nicht bei der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden; denn die Leistungen, die dem Vergütungssaldo vom 31.12.2012 zugrunde lagen, wurden bereits im Jahr 2012 erbracht und waren daher im Jahr 2012 zu versteuern. Die Klägerin versteuerte ihre Umsätze nämlich nach der Soll-Besteuerung und nicht nach der Ist-Versteuerung.
  • Entgegen der Auffassung des Finanzamts erfordert die Änderung des Bescheids für 2013 nicht, dass noch der Vorjahresbescheid für 2012 geändert werden kann und in die Bemessungsgrundlage für 2012 noch der Vergütungssaldo vom 31.12.2012 aufgenommen wird. Eine derartige Regelung, nach der Umsätze nicht unversteuert bleiben dürfen, gibt es nur beim Wechsel von der Soll- zur Ist-Besteuerung und umgekehrt. Diese Regelung ist auf den Streitfall aber weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Hinweise: Unbeachtlich war, dass die Klägerin die fehlerhafte Umsatzsteuerfestsetzung selbst ausgelöst hatte, indem sie den Vergütungssaldo jeweils erst im Folgejahr als Umsatz erklärte.

Das Finanzamt hat das Verfahren zwar verloren. Es kann jetzt aber prüfen, ob es noch den Vorjahresbescheid für 2012 zulasten der Klägerin ändern kann. Eine solche Änderung ist im Fall einer sog. widerstreitenden Steuerfestsetzung, die nun aufgrund des Klageerfolgs gegeben sein dürfte, weil der Vergütungssaldo zum 31.12.2012 weder in der Umsatzsteuerfestsetzung 2013 noch in der Umsatzsteuerfestsetzung 2012 enthalten ist, möglich. Das Gesetz lässt die Korrektur des fehlerhaften Bescheids für 2012, selbst wenn für das Jahr 2012 nunmehr Festsetzungsverjährung eingetreten sein sollte, innerhalb eines Jahres nach Änderung des fehlerhaften Bescheids für 2013 grundsätzlich zu.

Quelle: BFH, Urteil v. 29.8.2024 – V R 19/22; NWB