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Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei Unternehmen mit hohem Anteil an Bareinnahmen

Bei sog. bargeldintensiven Unternehmen, die also vor allem Bareinnahmen erzielen, bestand im Jahr 2015 kein strukturelles Vollzugsdefizit, welches zur Verfassungswidrigkeit der Steuerpflicht von Einkünften aus Gewerbebetrieb führen würde. Der Gesetzgeber hat der Finanzverwaltung nämlich zahlreiche Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten eingeräumt und zudem auch seit 2016 noch weitere gesetzliche Verschärfungen verabschiedet, die sich auf den Vollzug innerhalb der Verjährungsfrist auswirken können.

Hintergrund: Bestimmte Branchen sind bargeldintensiv und haben einen hohen Anteil an Bareinnahmen, z.B. Gaststätten oder Kfz-Werkstätten. Hier besteht die Gefahr, dass Betriebseinnahmen erklärt und Steuern hinterzogen werden. Nach dem Gesetz können Bareinnahmen durch elektronische Registrierkassen, PC-Kassen oder durch sog. offene Ladenkassen, wie z.B. in einem Schuhkarton, erfasst werden.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Personengesellschaft, die mehrere Hotels und Gaststätten betrieb. Die Klägerin machte für das Streitjahr 2015 geltend, dass ihre Einnahmen zu einem Anteil von 144.000 € nicht besteuert werden dürften, weil bei bargeldintensiven Betrieben ein Anteil von ca. 15 % hinterzogen werde. Der Betrag von 144.000 € liege unter Berücksichtigung eines Unsicherheitszuschlags unterhalb von 15 %. Es bestehe ein strukturelles Vollzugsdefizit, so dass das Unternehmen der Klägerin nicht schlechter gestellt werden dürfe als bargeldintensive Betriebe, die Steuern hinterzögen und nicht ausreichend kontrolliert würden.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Ein strukturelles Vollzugsdefizit liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Regelungen und die gesetzlichen Vollziehungsmöglichkeiten dazu führen, dass die Besteuerung nicht durchgesetzt werden kann. Es muss also ein Widerspruch bestehen zwischen der gesetzlichen Besteuerungsnorm und der Erhebungs- bzw. Vollziehungsnorm, die nicht auf Durchsetzung der Besteuerungsnorm angelegt ist. Bloße Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können, führen allerdings nicht zu einem strukturellen Vollzugsdefizit.
  • Im Jahr 2015 gab es kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben, insbesondere Gaststätten. Der Gesetzgeber hat bargeldintensiven Unternehmen nämlich nicht nur Erklärungspflichten in Gestalt der Abgabe von Steuererklärungen und Gewinnermittlungen auferlegt, sondern sie auch zur Aufzeichnung sowie Aufbewahrung von Geschäftsvorfällen verpflichtet. Diese Pflichten können ohne weitere Voraussetzungen durch eine Außenprüfung überprüft werden. Dabei kann die Finanzverwaltung auch einen sog. Prüfungsschwerpunkt für bargeldintensive Betriebe bilden und diese besonders intensiv prüfen. Ferner kann das Finanzamt auch die Richtsatzsammlungen heranziehen, in denen u.a. die Rohgewinnaufschläge zahlreicher Betriebe derselben Branche erfasst werden, und diese mit den Rohgewinnaufschlägen des geprüften Betriebs vergleichen.
  • Das Finanzamt kann neben der Außenprüfung auch weitere Kontrollen durchführen, z.B. eine Umsatzsteuer-Nachschau, oder Kontrollmitteilungen fertigen und auswerten.
  • Außerdem hat der Gesetzgeber nach Ablauf des Jahres 2015 weitere Vorschriften erlassen, die den Vollzug der Erklärungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten ermöglichen sollen. So gibt es seit dem 1.1.2018 eine Kassen-Nachschau. Zwar sind die Neuregelungen erst nach dem Streitjahr eingeführt worden; sie können sich aber typischerweise auf den Vollzug innerhalb der allgemeinen vierjährigen Festsetzungsfrist auswirken.
  • Selbst wenn im Jahr 2015 ein tatsächliches Vollzugsdefizit bestanden haben sollte, wäre dies jedenfalls nicht dem Gesetzgeber zuzurechnen, weil er ausreichende Regelungen für den Vollzug der Steuergesetze geschaffen hat. Sofern die Finanzverwaltung etwa nicht genügend Prüfer haben sollte, wäre dies kein spezifisches Problem der Besteuerung von bargeldintensiven Betrieben, sondern eine generelle Frage der Personalpolitik der Finanzverwaltung, die dem Gesetzgeber nicht zugerechnet werden kann.

Hinweise: Der BFH hat zwar die Klage abgewiesen, den Gesetzgeber aber nicht ganz aus der Pflicht entlassen. Vielmehr weist der BFH den Gesetzgeber darauf hin, dass er die offensichtlich bestehenden Vollzugsprobleme bei der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse sorgsam beachten muss; zudem muss der Gesetzgeber alsbald prüfen, ob die seit 2016 in Kraft getretenen Gesetze zu einer Verbesserung bei der Erhebung und beim Vollzug geführt haben.

BFH, Urteil v. 16.9.2021 – IV R 34/18; NWB

Finanzverwaltung verlängert Reinvestitionsfrist für Rücklage für Ersatzbeschaffung

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat – wie bereits zum Vorjahr – die Frist für die Reinvestition verlängert, wenn eine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet worden ist. Die Reinvestitionsfrist wird grundsätzlich auf den 31.12.2022 verlängert, so dass zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung gewinnerhöhend aufzulösen ist.

Hintergrund: Scheidet ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt wie z.B. aufgrund eines Brandes aus dem Betriebsvermögen aus, ersetzt häufig die Versicherung den Schaden. Ist der Versicherungsersatz höher als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts, erhöht dieser Mehrbetrag, den man stille Reserven nennt, den Gewinn. Die Finanzverwaltung räumt dem Unternehmer in diesem Fall die Möglichkeit ein, den Gewinn durch eine sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung zu neutralisieren. Die Rücklage kann dann auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden und mindert dessen Anschaffungskosten und damit auch die Abschreibungen für das Ersatzwirtschaftsgut. Die Ersatzbeschaffung muss aber innerhalb einer bestimmten Frist (Reinvestitionsfrist) erfolgen (s. auch Hinweise unten). Bereits zum 31.12.2020 hatte das BMF die Reinvestitionsfrist um ein Jahr verlängert.

Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens: Dem BMF zufolge muss zum 31.12.2021 keine Rücklage für Ersatzbeschaffung aufgelöst werden.

Im Einzelnen gilt:

  • Die Reinvestitionsfrist für die Rücklage für Ersatzbeschaffung wird um zwei Jahre verlängert, wenn die Rücklage an sich bereits am 31.12.2020 hätte aufgelöst werden müssen und nur aufgrund des zum 31.12.2020 ergangenen BMF-Schreibens um ein Jahr verlängert worden ist.

    Hinweis: Die Fristverlängerung gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen gewesen wäre.

  • Ist die Rücklage an sich zum 31.12.2021 aufzulösen, verlängert sich die Reinvestitionsfrist um ein Jahr zum 31.12.2022.

    Hinweis: Die Fristverlängerung von einem Jahr gilt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.

Hinweise: Die Rücklage kann gebildet werden, wenn die Ersatzbeschaffung nicht im selben Jahr, in dem das Wirtschaftsgut ausscheidet, erfolgt. Für die Ersatzbeschaffung hat der Unternehmer grundsätzlich bis zum Ende des Folgejahres Zeit. Bei bestimmten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wie z.B. Immobilien oder Binnenschiffen beträgt die Reinvestitionsfrist vier Jahre. Für die Neuherstellung eines zerstörten Gebäudes hat der Unternehmer sogar sechs Jahre Zeit.

Die Fristverlängerung beruht auf der Corona-Krise. Der Gesetzgeber hat bereits vor kurzem die gesetzlichen Fristen für vergleichbare (Re-)Investitionsfristen ebenfalls um ein Jahr verlängert: So hat er die Reinvestitionsfrist für die Rücklage, die für den Gewinn aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter gebildet werden darf, um ein Jahr verlängert, und er hat die Investitionsfrist, die bei der Bildung eines Investitionsabzugsbetrags greift, für die zum 31.12.2017 und 31.12.2018 gebildeten Investitionsabzugsbeträge um ein Jahr verlängert.

BMF-Schreiben v. 15.12.2021 – IV C 6 – S 2138/19/10002 :003; NWB

Festsetzungsverjährung bei umsatzsteuerlicher Rückabwicklung der sog. Bauträgerfälle

Das Finanzamt kann in den sog. Bauträgerfällen die Umsatzsteuer nicht mehr gegenüber dem Bauunternehmer festsetzen, wenn bei ihm bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung beim Bauunternehmer wird nicht gehemmt, wenn der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch des Bauträgers erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung für den Bauunternehmer entsteht. Von Bauträgerfällen spricht man, wenn ein Bauunternehmer bis 2013 eine Bauleistung an einen Bauträger erbracht hat und beide zu Unrecht von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ausgegangen sind, so dass der Bauträger die Umsatzsteuer abgeführt hat.

Hintergrund: Bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Jahr 2013 gingen nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch Bauunternehmer und Bauträger davon aus, dass bei Bauleistungen eines Bauunternehmers an einen Bauträger das sog. Reverse-Charge-Verfahren gilt, d.h. dass die Umsatzsteuer vom Bauträger und damit vom Leistungsempfänger abzuführen ist. Der BFH sah dies im Jahr 2013 jedoch anders: Der Bauunternehmer hätte die Umsatzsteuer abführen müssen. Seitdem versuchen viele Bauträger, die von ihnen zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzubekommen. Parallel hierzu bemühen sich die Finanzämter, die Umsatzsteuer gegenüber den Bauunternehmern festzusetzen. Der Gesetzgeber hat auf diese Problemlage reagiert und die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer zwar grundsätzlich zugelassen, dem Bauunternehmer aber die Möglichkeit eingeräumt, seinen zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Bauträger auf Zahlung der noch ausstehenden Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine KG und betrieb eine Tischlerei. Sie erbrachte im Jahr 2009 Bauleistungen an den Bauträger X. Die Umsatzsteuer führte X nach dem Reverse-Charge-Verfahren an das Finanzamt ab. Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Jahr 2010 ab, ohne in dieser die Umsätze an X zu erfassen. Nachdem der BFH im Jahr 2013 entschieden hatte, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an Bauträgern nicht anwendbar ist, stellte X am 31.12.2014 bei seinem Finanzamt einen Antrag auf Erstattung der für 2009 aufgrund der Bauleistungen der Klägerin abgeführten Umsatzsteuer. Das Finanzamt, das für die Klägerin zuständig war, änderte am 26.3.2018 die Umsatzsteuerfestsetzung der Klägerin für 2009 und setzte die Umsatzsteuer aufgrund der von der Klägerin an X erbrachten Bauleistungen fest.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Das Finanzamt durfte im Jahr 2018 keine Umsatzsteuer mehr für 2009 festsetzen, da im Jahr 2018 bereits Verjährung eingetreten war. Die Klägerin hatte ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 im Jahr 2010 abgegeben, so dass die vierjährige Verjährung am 1.1.2011 begann und am 31.12.2014 endete.
  • Eine Ablaufhemmung trat nicht ein. Zwar endet nach dem Gesetz die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch noch nicht verjährt ist. Dies setzt aber voraus, dass der Erstattungsanspruch (des X) bereits vor Ablauf der Festsetzungsfrist (für die Klägerin) entstanden ist. Der Erstattungsanspruch des X konnte aber frühestens am 1.1.2015 entstehen, da er den Antrag auf Erstattung erst am 31.12.2014 gestellt hat; am 1.1.2015 war aber für die Klägerin bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine bereits eingetretene Festsetzungsverjährung kann nicht durch eine Ablaufhemmung erneut beginnen und damit „wiederbelebt“ werden; eine Ablaufhemmung kann nur den Ablauf einer noch laufenden Festsetzungsfrist hemmen.
  • Andere Korrekturvorschriften, die gegebenenfalls zu anderen Verjährungsregelungen geführt hätten, waren nicht anwendbar.

Hinweise: Das Urteil hat erhebliche Bedeutung, weil es zahlreiche Fälle der Rückabwicklung im Bereich der sog. Bauträgerfälle und vergleichbarer Leistungsempfänger gibt, die selbst keine Bauleistung erbracht haben, so dass das Reverse-Charge-Verfahren nicht anwendbar war.

Für das Finanzamt ist das Urteil bitter: Denn es muss dem Erstattungsantrag des X nachkommen, ohne dass es sich die Umsatzsteuer von der Klägerin „zurückholen“ kann. Hierzu hätte das Finanzamt schneller tätig werden müssen.

BFH, Urteil v. 27.7.2021 – V R 3/20; NWB

Erleichterungen für die Opfer der Flutkatastrophe in Bayern, NRW und Rheinland-Pfalz verlängert

Die Finanzverwaltungen in Bayern, NRW und Rheinland-Pfalz haben ihre steuerlichen Erleichterungen für die Opfer der Flutkatastrophe verlängert.

Hintergrund: Im Juli 2021 haben die Finanzministerien der Länder NRW, Rheinland-Pfalz und Bayern steuerliche Erleichterungen zur Berücksichtigung der Schäden im Zusammenhang mit den dortigen Unwetterereignissen in Kraft gesetzt. In den jeweiligen Erlassen wurden diverse Entlastungsmaßnahmen für Betroffene beschlossen. Diese Maßnahmen wurden nun verlängert.

Hierzu führt das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat weiter aus:

  • Die Möglichkeit einer zinslosen Steuerstundung oder einer Zurückstellung von Vollstreckungsmaßmaßnahmen werden bis 30.6.2022 verlängert.
  • Auch können bis 31.3.2022 weiterhin unter erleichterten Bedingungen Steuervorauszahlungen angepasst werden.
  • Verlängert wurden auch die Nachweiserleichterungen für bis 31.3.2022 geleistete Spenden. Auch Sonderabschreibungen sind möglich.
  • Muss Hausrat und Kleidung in größerem Umfang wiederbeschafft werden, können diese Ausgaben unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich berücksichtigt werden. Ansprechpartner ist das jeweils zuständige Finanzamt.

Hinweis: Weitere Informationen zum Thema haben die Finanzministerien (Bayern, NRW und Rheinland-Pfalz auf Ihren Internetseiten veröffentlicht.

Quellen: BayLfSt, FinMin NRW sowie FinMin Rheinland-Pfalz online; NWB

Aussetzung von Säumniszuschlägen aufgrund verfassungsrechtlicher Zweifel

Der Bundesfinanzhof (BFH) gewährt Aussetzung der Vollziehung von Säumniszuschlägen in Höhe des hälftigen Betrags und begründet dies mit verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Höhe der Säumniszuschläge. Die Säumniszuschläge haben nämlich unter anderem auch eine zinsähnliche Funktion, so dass die verfassungsrechtlichen Zweifel, die für die Höhe des Zinssatzes gelten, insoweit auch für Säumniszuschläge gelten.

Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des rückständigen Betrags verwirkt. Sie sind also doppelt so hoch wie Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betragen.

Sachverhalt: Der Antragsteller entrichtete die Umsatzsteuer für August 2018 verspätet, so dass für den Zeitraum vom 11.10.2018 bis 10.11.2018 Säumniszuschläge erhoben wurden. Auf Antrag des Antragstellers erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid über die Säumniszuschläge, gegen den der Antragsteller Einspruch einlegte und die Aussetzung der Vollziehung beantragte. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung: Der BFH gewährte die Aussetzung der Vollziehung in Höhe der hälftigen Säumniszuschläge:

  • Säumniszuschläge verfolgen mindestens einen doppelten Zweck. Sie stellen zum einen ein Druckmittel dar und sollen den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anhalten. Zum anderen haben sie einen zinsähnlichen Charakter, weil sie einen Ausgleich für das Hinausschieben der fälligen Steuern darstellen. Außerdem sollen sie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts, der aufgrund einer verspäteten Zahlung entsteht, ausgleichen.
  • An der Höhe des Zinssatzes von 6 % jährlich bestehen nach der Rechtsprechung des BFH verfassungsrechtliche Zweifel. Diese Zweifel gelten auch für die Säumniszuschläge, soweit sie einen zinsähnlichen Charakter haben.
  • Da die Säumniszuschläge mindestens einen doppelten Zweck verfolgen – Druckmittel und zinsähnlicher Charakter –, war die Vollziehung der streitigen Säumniszuschläge zur Hälfte auszusetzen. Soweit die Säumniszuschläge ein Druckmittel darstellen, ist keine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
  • Offenbleiben kann, ob bei der Aussetzung der Vollziehung auch der weitere Zweck der Säumniszuschläge, den Verwaltungsaufwand des Finanzamts auszugleichen, zu berücksichtigen ist.

Hinweise: Der aktuelle, erst jetzt veröffentlichte Beschluss des BFH stammt aus dem Mai 2021, ist also vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Zinssatzes von 6 % für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 ergangen. Für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis 31.12.2018 hält das BVerfG den Zinssatz von 6 % jährlich zwar ebenfalls für verfassungswidrig; es hat insoweit aber die Fortgeltung des an sich verfassungswidrigen Zinssatzes angeordnet, so dass für den hier streitigen Zeitraum Oktober/November 2018 der gesetzliche Zinssatz von 6 % anzuwenden ist. Daher hätte der BFH keine Aussetzung der Vollziehung gewähren dürfen.

Anders ist dies aber für Zeiträume ab 1.1.2019: Hier kann aus dem BFH-Beschluss abgeleitet werden, dass für Säumniszuschläge, die ab dem 1.1.2019 verwirkt werden, in Höhe des hälftigen Betrags Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. Die Höhe dürfte sich aber noch mindern, sobald der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2019 den neuen Zinssatz verabschiedet. Möglicherweise wird der Gesetzgeber dann auch über eine Minderung der Höhe des Säumniszuschlags nachdenken müssen.

BFH, Beschluss v. 26.5.2021 – VII B 13/21; NWB