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Kirchensteuererstattungsüberhang bei Verlustrücktrag in das Vorjahr

Werden negative Einkünfte aus dem Jahr ihrer Entstehung im Wege des Verlustrücktrags in das Vorjahr zurückgetragen, sind sie damit im Jahr ihrer Entstehung „verbraucht“ und können nicht mehr für eine Verrechnung mit einem Kirchensteuer-Erstattungsüberhang genutzt werden. Die erstattete Kirchensteuer wird daher einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 € hinzugerechnet und dann versteuert.

Hintergrund: Die Kirchensteuer ist als Sonderausgabe abziehbar. Wird Kirchensteuer erstattet, wird sie mit der gezahlten Kirchensteuer verrechnet, so dass sich der Sonderausgabenabzug entsprechend mindert. Ist die erstattete Kirchensteuer aber höher als die gezahlte Kirchensteuer, kommt es zu einem sog. Erstattungsüberhang. Dieser ist nach dem Gesetz dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aber negativ, so dass der negative Einkünftebetrag im Wege des Verlustrücktrags in das Vorjahr zurückgetragen worden ist, stellt sich die Frage, ob der Erstattungsüberhang dem negativen Gesamtbetrag hinzuzurechnen ist oder aber – aufgrund des Verlustrücktrags – einem Gesamtbetrag von 0 €.

Sachverhalt: Die Klägerin erzielte im Jahr 2015 negative Einkünfte in Höhe von ca. 48.000 €. Bei der Kirchensteuer ergab sich für sie ein Erstattungsüberhang von ca. 61.000 €, da ihr Kirchensteuer in Höhe von ca. 61.100 € rückerstattet wurde, während sie ca. 100 € gezahlt hatte. Das Finanzamt führt einen Verlustrücktrag hinsichtlich der negativen Einkünfte in Höhe von 48.000 € durch und trug sie in das Vorjahr 2014 zurück, wo sie mit positiven Einkünften der Klägerin verrechnet wurden. Aufgrund des Verlustrücktrags setzte das Finanzamt für 2015 einen Gesamtbetrag von 0 € an und erhöhte diesen um den Kirchensteuer-Erstattungsüberhang von 61.000 € und zog weitere Sonderausgaben des Jahres 2015 ab. Hierdurch ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von ca. 42.000 €, das zu einer Einkommensteuer von ca. 10.000 € führte. Die Klägerin beantragte, dass statt eines Gesamtbetrags von 0 € ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte von ca. 48.000 € zugrunde gelegt wird.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Nach dem Gesetz ist ein Erstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich aber nicht, was bei einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte geschehen soll, wenn es zu einem Verlustrücktrag in das Vorjahr gekommen ist.
  • Aus der Gesetzessystematik folgt, dass die im Wege des Verlustrücktrags zurückgetragenen negativen Einkünfte nur noch im Vorjahr berücksichtigt werden können, während sie im Entstehungsjahr nun verbraucht sind und nicht mehr zur Verfügung stehen. Einkünfte können nämlich nur in einem Jahr berücksichtigt werden. Kommt es zu einem Verlustrücktrag, werden die (negativen) Einkünfte nur im Vorjahr berücksichtigt.
  • Daher werden die negativen Einkünfte des Jahres 2015, die durch den Verlustrücktrag in das Vorjahr 2014 verschoben worden sind, im Jahr 2015 quasi „hinweggedacht“. Somit ist für 2015 ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 € zugrunde zu legen, der um den Erstattungsüberhang aus der Kirchensteuer zu erhöhen und um weitere Sonderausgaben des Jahres 2015 zu kürzen ist.

Hinweise: Das Urteil des BFH führt dazu, dass im Ergebnis die negativen Einkünfte nur einmal berücksichtigt werden, nämlich im Jahr 2014. Durch den Verlustrücktrag sind die negativen Einkünfte vom Jahr 2015 in das Jahr 2014 verschoben worden und werden deshalb nur im Jahr 2014 mit positiven Einkünften verrechnet. Die negativen Einkünfte können nicht zusätzlich mit dem Erstattungsüberhang aus der Kirchensteuer verrechnet werden.

Gibt es im Rahmen eines Verlustrücktrags Streit über die Höhe des Verlustes, wird hierüber im Verfahren gegen den Vorjahresbescheid, in dem der Verlust berücksichtigt werden soll, entschieden, nicht aber im Verfahren gegen den Bescheid für das Jahr, in dem der Verlust entstanden ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 3.5.2023 – IX R 6/21; NWB

Keine Umsatzsteuer auf dezentral verbrauchten Strom eines Blockheizkraftwerks

Der nicht eingespeiste, sondern dezentral verbrauchte Strom eines Blockheizkraftwerks, für den ein sog. Kraft-Wärme-Kopplungszuschlag gezahlt wird, unterliegt nicht der Umsatzsteuer. Der vom Anlagenbetreiber erzeugte und dezentral verbrauchte Strom wird nämlich nicht an den Betreiber des Stromnetzes geliefert und an den Anlagenbetreiber zurückgeliefert.

Hintergrund: Leistungen eines Unternehmers gegen Entgelt unterliegen der Umsatzsteuer.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts und Alleingesellschafterin der A-GmbH. Die Klägerin verpachtete ein Blockheizkraftwerk (BHKW) an die A-GmbH und vereinbarte mit ihr, dass die A-GmbH den mit dem BHKW erzeugten Strom an die Klägerin und an Dritte überlassen sollte. Die Klägerin verbrauchte den im BHKW erzeugten Strom nahezu vollständig selbst (sog. dezentraler Verbrauch) und speiste ihn nicht in das Stromnetz ein. Für den dezentral verbrauchten Strom stellte die Klägerin dem Stromnetzbetreiber im Jahr 2010 einen sog. KWK-Zuschlag (nach dem sog. Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der dezentral verbrauchte Strom fiktiv in das Stromnetz eingespeist und vom Stromnetzbetreiber wieder an den Anlagenbetreiber geliefert worden sei, so dass Umsatzsteuer entstehe.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt:

  • Die Umsatzsteuerbarkeit setzt eine Lieferung oder sonstige Leistung voraus. Eine tatsächliche Lieferung ist nicht erfolgt. Denn hierfür fehlt es an der Verschaffung der Verfügungsmacht zugunsten des Stromnetzbetreibers; der Stromnetzbetreiber hat nämlich nie die Verfügungsmacht an dem durch das BKHW produzierten Strom erlangt.
  • Eine Stromlieferung kann auch nicht fingiert werden. Zwar hat die Klägerin einen KWK-Zuschlag erhalten. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Zuschlagzahler eine Lieferung oder sonstige Leistung empfangen hat.

Hinweise: In gleicher Weise hat vor kurzem ein anderer Umsatzsteuer-Senat des BFH entschieden, so dass nunmehr beide Umsatzsteuersenate den Klagen stattgegeben haben und der Verwaltungsauffassung widersprechen. Die Finanzverwaltung geht von einer fiktiven Stromlieferung aus, wenn ein sog. KWK-Zuschlag in Anspruch genommen worden ist.

Der BFH hat die Sache allerdings aus anderen Gründen an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen. Die Klägerin ging von einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen ihr als Organträgerin und der A-GmbH als Organgesellschaft aus. Aufgrund der umsatzsteuerlichen Problematik im Bereich der Organschaft muss das FG nun prüfen, ob die A-GmbH als Organgesellschaft Umsätze an die Klägerin erbracht hat, die umsatzsteuerbar sein könnten und für die die Klägerin die Umsatzsteuer abführen müsste.

Quelle: BFH, Urteil v. 11.5.2023 – V R 22/21; NWB

Finanzverwaltung äußert sich zur Steuerbefreiung kleinerer Photovoltaikanlagen

Der Gesetzgeber hat rückwirkend zum 1.1.2022 den Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen steuerfrei gestellt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun zu Einzelfragen der Steuerbefreiung Stellung genommen. Die wichtigsten Punkte stellen wir Ihnen hier vor.

Hintergrund: Rückwirkend zum 1.1.2022 wurden Gewinne aus dem Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kW (peak) steuerfrei gestellt. Befinden sich in einem Gebäude mehrere Wohnungen oder Geschäfte, ist eine Leistung von 15 kW pro Wohn- bzw. Geschäftseinheit zulässig. Maximal darf pro Steuerpflichtigen jedoch eine Leistung von 100 kW insgesamt nicht überschritten werden.

Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:

  • Die zulässigen Höchstwerte von 30 kW pro Einfamilienhaus bzw. 15 kW pro Wohn- bzw. Geschäftseinheit gelten pro Steuerpflichtigen.

    Beispiel: Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann betreiben jeweils eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 16 kW auf ihrem Einfamilienhaus. Da für jeden der beiden eine Höchstgrenze von 30 kW gilt, sind beide Anlagen steuerfrei.

  • Photovoltaikanlagen auf Freiflächen sind nicht steuerfrei, selbst wenn sie die Maximalwerte von 15 kW bzw. 30 kW nicht überschreiten.
  • Die Steuerbefreiung erfordert nicht, dass der Betreiber auch Eigentümer des Gebäudes ist, auf dem sich die Anlage befindet.
  • Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für die Einnahmen, sondern auch für Entnahmen, wenn z.B. der produzierte Strom zum Teil in den selbstgenutzten Wohnräumen verwendet wird.
  • Bei der Prüfung, ob die Maximalgrenze von 100 kW überschritten wird, sind nur solche Anlagen einzubeziehen, die an sich unter die Steuerbefreiung fallen.

    Beispiel: A betreibt zwei Anlagen mit einer Leistung von jeweils 30 kW auf Einfamilienhäusern und eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 100 kW. Da die Freiflächen-Photovoltaikanlage ohnehin nicht steuerfrei ist, verbleiben nur die beiden Anlagen auf den beiden Einfamilienhäusern mit insgesamt 60 kW. Die Maximalgrenze von 100 kW pro Steuerpflichtigen wird nicht überschritten.

  • Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit können auch im Lauf eines Jahres eintreten oder aber wegfallen, weil z.B. die Maximalgrenze von 100 kW überschritten bzw. nicht mehr überschritten wird. In diesem Fall besteht die Steuerfreiheit nur bis zum Eintreten der Voraussetzungen oder aber bis zum Wegfall der Voraussetzungen.

    Hinweis: Durch die Aufteilung eines Gebäudes in mehrere Einheiten können die Voraussetzungen der Steuerfreiheit geschaffen werden. Dies ist etwa der Fall, wenn auf einem Gebäude mit zwei Einheiten eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 32 kW betrieben wird (die Grenze von 30 kW wird überschritten) und zum 1.8. des Jahres eine weitere Einheit durch Aufteilung einer der beiden Einheiten entsteht. Bei drei Einheiten kann nun eine Leistung von 45 kW statt bislang lediglich 30 kW (bei zwei Einheiten) steuerfrei erzielt werden. Ab dem 1.8. ist der Betrieb der Anlage daher steuerfrei.

  • Ab dem 1.1.2022 kann ein Investitionsabzugsbetrag bei dem Betrieb einer steuerfreien Anlage nicht mehr gebildet werden. Denn es fehlt aufgrund der Steuerbefreiung an der Gewinnerzielungsabsicht.
  • Der Abzug von Betriebsausgaben ist aufgrund der Steuerbefreiung nicht mehr möglich.
  • Für Handwerkerleistungen, die an einer steuerfrei betriebenen Photovoltaikanlage am selbstgenutzten Haus durchgeführt werden, kann eine Steuerermäßigung von 20 % für Handwerkerleistungen im selbstgenutzten Haushalt geltend gemacht werden.

Hinweise: Das aktuelle BMF-Schreiben ist für die Finanzämter bindend. Es gilt für alle Einnahmen und Entnahmen, die ab dem 1.1.2022 erzielt werden.

Quelle: BMF-Schreiben v. 17.7.2023 – IV C 6 – S 2121/23/10001 :001; NWB

Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen bei Mietern

Mieter können für die auf sie entfallenden Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerker eine Steuerermäßigung geltend machen, wenn sich die Aufwendungen aus einer Betriebskostenabrechnung oder aus einer Bescheinigung, die dem von der Finanzverwaltung veröffentlichten Muster entspricht, ergeben. Für die Steuerermäßigung ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Handwerkervertrag bzw. den Vertrag über die haushaltsnahe Dienstleistung selbst abgeschlossen hat.

Hintergrund: Für Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen wird eine Steuerermäßigung von 20 %, maximal 4.000 €, gewährt. Werden Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt des Steuerpflichtigen in Anspruch genommen, wird eine Steuerermäßigung von ebenfalls 20 %, maximal 1.200 €, gewährt. Aufwendungen für das Material sind nicht begünstigt, sondern nur der Lohnanteil. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen setzt voraus, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und er auf das Konto des Handwerkers gezahlt hat, so dass Barzahlungen nicht begünstigt sind.

Sachverhalt: Die Kläger waren Mieter einer Wohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In ihrer Betriebskostenabrechnung für 2016 waren u. a. Kosten für die Funktionsprüfung des Rauchwarnmelders, Kosten für die Treppenhausreinigung sowie für die Gartenpflege und den Schneeräumdienst ausgewiesen. Für diese Kosten beantragten die Kläger eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen. Der Schneeräumdienst und die Gartenpflege war von Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft ausgeführt worden. Das Finanzamt gewährte die Steuerermäßigung nicht.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Steuerermäßigung für grundsätzlich möglich, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Dem Grunde nach handelte es sich um begünstigte haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen:
    • Die Treppenhausreinigung, die Gartenpflege und der Schneeräumdienst sind haushaltsnahe Dienstleistungen, da sie üblicherweise durch Mitglieder des Haushalts erledigt werden. Zum Haushalt gehört auch die Räumung des Schnees auf dem Gehweg vor dem Haus, nicht aber die Schneeräumung auf der Straße vor dem Haus. Im Streitfall wurde nur der Gehweg vom Schnee befreit.
    • Die Funktionsprüfung des Rauchwarnmelders war eine handwerkliche Tätigkeit im Haushalt der Kläger.
  • Die Kläger haben die haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auch in Anspruch genommen. Hierfür genügt es, dass die Kläger von diesen Leistungen profitiert haben. Es ist nicht erforderlich, dass die Kläger selbst den Auftrag für die Leistungen erteilt haben.
  • Die Kläger haben für die Leistungen auch eine Rechnung erhalten. Insoweit genügt es, dass sie eine Betriebskostenabrechnung vorlegen können, in der die erforderlichen Angaben zur Art der Leistungen und zum Zeitraum sowie zu den angefallenen Arbeitskosten enthalten sind. Soweit das Finanzamt diese Unterlagen im Streitfall nicht für ausreichend gehalten hat, muss das FG nun im zweiten Rechtsgang aufklären, ob Rechnungen der Leistungserbringer vorliegen und die erforderlichen Angaben enthalten. Dies wird insbesondere hinsichtlich der Schneebeseitigung und der Gartenpflege zu prüfen sein, da diese Leistungen von Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft ausgeführt worden sind.
  • Hinsichtlich der Zahlung auf das Konto des jeweiligen Leistungserbringers genügt es für die Steuerermäßigung, dass die Überweisung von der Wohnungseigentümergemeinschaft oder vom Vermieter geleistet worden ist.

Hinweise: Der BFH stärkt die Position der Steuerpflichtigen, weil er grundsätzlich Betriebskostenabrechnungen, Hausgeldabrechnungen oder sonstige Abrechnungsunterlagen des Vermieters oder Verwalters als Nachweis für begünstigte Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen anerkennt. Der BFH folgt zudem der Auffassung der Finanzverwaltung, die es für ausreichend hält, dass die begünstigten Aufwendungen in einer Bescheinigung des Verwalters bzw. Vermieters entsprechend dem von der Finanzverwaltung veröffentlichten Muster ausgewiesen werden.

Allerdings bleibt es dabei, dass die genannten Unterlagen weniger als eine Rechnung des Leistungserbringers sind. Enthalten diese Unterlagen also nicht die wesentlichen Angaben oder bestehen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit, ist der Steuerpflichtige gefordert, sich die Rechnungen des Leistungserbringers zu verschaffen und dem Finanzamt vorzulegen; als Mieter hat er insoweit ein Belegeinsichtsrecht und kann die Belege auch kopieren bzw. scannen oder fotografieren. Scheitert das Einsichtsverlangen des Steuerpflichtigen, kann das Finanzamt oder das FG den Vermieter bzw. den Verwalter zur Vorlage der Rechnungen auffordern. Sollte auch dies scheitern, ist der Steuerpflichtige gezwungen, die Vorlage der Rechnungen im Zivilrechtsweg zu erstreiten.

Quelle: BFH, Urteil v. 20.4.2023 – VI R 24/20; NWB

Bekanntgabe von Steuerbescheiden im sog. Zentralversand

Die für die ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Steuerbescheids erforderliche Aufgabe zur Post ist seitens des Finanzamts nachzuweisen, und zwar auch dann, wenn die Bescheide in einem Druckzentrum im sog. Zentralversand gedruckt und dann einem Postdienstleistungsunternehmen zwecks Auslieferung übergeben werden. Dieser Nachweis kann dadurch geführt werden, dass der konkrete Bescheid eine Identifikationsnummer ausweist, der einem Druckauftrag zugeordnet werden kann und der sich in einer Postgebührenabrechnung wiederfindet.

Hintergrund: Ein Bescheid gilt grundsätzlich drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Mit Ablauf des Tags der Bekanntgabe beginnt die Einspruchsfrist. Geht es um die Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, beginnt mit Ablauf des Tags ihrer Bekanntgabe die Klagefrist.

Sachverhalt: Der Kläger war Rechtsanwalt in Hamburg. Das Finanzamt übersandte ihm einen Feststellungsbescheid, der das Datum vom 2.9.2021 trug. Der Bescheid wurde im sog. Zentralversand im Druckzentrum in B gedruckt; das Druckzentrum ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Der Kläger legte gegen den Bescheid am 7.10.2021 Einspruch ein und machte geltend, dass er den Bescheid erst am 7.9.2021 erhalten habe. Hierzu verwies er auf einen entsprechenden Eintrag in seinem Fristenkalender.

Entscheidung: Das Finanzgericht Hamburg (FG) wies die Klage ab:

  • Der Einspruch des Klägers ist erst am 7.10.2021 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist erhoben worden, die am 6.10.2021, einem Mittwoch, endete.
  • Der Bescheid wurde am 2.9.2021 zur Post aufgegeben und galt damit an sich drei Tage später, am 5.9.2021, als bekannt gegeben. Da der 5.9.2021 ein Sonntag war, verschob sich der Bekanntgabetag auf Montag, den 6.9.2021. Somit begann die Einspruchsfrist am 7.9.2021 und endete am 6.10.2021.
  • Die Aufgabe zur Post am 2.9.2021 ist vom Finanzamt nachgewiesen worden. Das Finanzamt hat die organisatorischen Abläufe zwischen dem Druckzentrum, dem Postdienstleistungsunternehmen C und der Deutschen Post AG umfassend dargelegt. Danach werden die Bescheide von dem Postdienstleistungsunternehmen C im Druckzentrum abgeholt. C übernimmt dann den weiteren Transport der Bescheide, indem er die Bescheide der Deutschen Post AG übergibt, die diese dann ausliefert.
  • Die vom FG vernommenen Zeugen konnten den Bescheid des Klägers anhand des angebrachten Barcodes nebst dazugehöriger Identifikationsnummer einem Druckauftrag im Druckzentrum und einer Postgebührenabrechnung zuordnen. Aufgrund dieser Abrechnung stand fest, dass der Bescheid tatsächlich gedruckt und kuvertiert worden ist. Auch die Abholung des Bescheids im Druckzentrum durch die C ist nachgewiesen worden, da die Post von Freitag bis Montag täglich von C abgeholt wird und die C einen Transportbegleitschein vorlegen konnte, nach dem am 2.9.2021 insgesamt 397 Postkisten im Druckzentrum abgeholt wurden.
  • Steht danach die Aufgabe zur Post am 2.9.2021 fest, gilt der Bescheid als am 6.9.2021 bekannt gegeben, da der 5.9.2021 ein Sonntag war. Diese Bekanntgabevermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Zwar hat er einen Fristenkalender mit dem Eintrag „7.9.2021“ vorgelegt; aber er hat nicht den Briefumschlag aufgehoben, in dem sich der Bescheid befunden hat und aus dem der Poststempel ersichtlich wäre.

Hinweise: Aktuell häufen sich die Entscheidungen, in denen es um die Bekanntgabe von Bescheiden geht. Hintergrund ist die Unzuverlässigkeit des Postverkehrs, die dazu führt, dass Briefe nicht an jedem Werktag ausgeliefert werden oder dass Briefe länger als drei Tage unterwegs sind. Sollte die gesetzliche Vermutung einer Bekanntgabe drei Tage nach Aufgabe zur Post kippen, müsste ggf. in jedem Fall ermittelt werden, wann der Bescheid zur Post aufgegeben und wann er ausgeliefert worden ist. Dies wäre praktisch nicht umsetzbar.

Für die Praxis empfiehlt es sich, darauf zu achten, ob der Bescheid innerhalb von drei Tagen nach dem Datum des Bescheids eingegangen ist. Falls nicht, sollte der Einspruch dennoch so frühzeitig eingelegt werden, als wäre der Bescheid innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post eingegangen; ein Einspruch kann unbürokratisch per E-Mail eingelegt werden. Außerdem sollte stets auch der Briefumschlag aufgehoben werden.

Quelle: FG Hamburg, Urteil v. 13.4.2023 – 5 K 59/22; NWB