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Gläubigerbenachteiligung bei Nutzung eines geliehenen Kontos

Lässt sich der Arbeitnehmer, der Steuerschulden hat, seinen Lohn auf ein geliehenes Konto, das seinem Ehegatten gehört, auszahlen, liegt darin eine Gläubigerbenachteiligung, die das Finanzamt zu einer Anfechtung in Gestalt eines Duldungsbescheids gegenüber dem Ehegatten berechtigt. Die Gläubigerbenachteiligung besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer ein Pfändungsschutzkonto hätte einrichten können, dies aber unterlassen hat.

Hintergrund: Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen und mit entsprechendem Benachteiligungsvorsatz vorgenommen werden, können außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Vertragspartner des Schuldners angefochten werden, wenn der Vertragspartner den Vorsatz des Schuldners kannte. Das Finanzamt als Gläubiger kann dann die Anfechtung durch einen Duldungsbescheid vornehmen.

Sachverhalt: Die Klägerin war die Ehefrau des S, der Steuerschulden hatte. S war Arbeitnehmer im Großhandel und verdiente monatlich ca. 1.270 € netto. Seit 2009 hatte S kein eigenes Bankkonto mehr, sondern nutzte das Bankkonto der Klägerin, auf das die Lohnzahlungen des S vom Arbeitgeber überwiesen wurden. Das Finanzamt erließ im November 2016 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Klägerin. Die Klägerin erkannte die gepfändeten Forderungen nicht an. Im April 2018 erließ das Finanzamt einen Duldungsbescheid gegenüber der Klägerin, mit dem es die Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung erklärte und die Klägerin verpflichtete, die Vollstreckung in ihr Konto so zu dulden, als gehörten die gutgeschriebenen Beträge noch zum Vermögen des S. Der Duldungsbescheid betraf Lohnzahlungen im Zeitraum vom November 2016 bis März 2018 in Höhe von ca. 12.000 €. Die Klägerin wehrte sich gegen den Duldungsbescheid.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Voraussetzungen der Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung waren gegeben. Die anfechtbare Rechtshandlung des S war seine Anweisung an seinen Arbeitgeber, den Lohn auf das Konto der Klägerin zu überweisen. Auf diese Weise entstanden Forderungen der Klägerin gegen ihre Bank, da die Löhne dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden.
  • Eine Gläubigerbenachteiligung lag ebenfalls vor. Denn durch die Nutzung des Bankkontos der Klägerin konnte das Finanzamt nicht mehr ohne Weiteres gegen S aufgrund eines gegen ihn gerichteten Vollstreckungstitels pfänden. Im Außenverhältnis hatte S nämlich keine Forderungen gegen eine Bank, sondern nur die Klägerin gegen ihre Bank.
  • Unbeachtlich ist, dass die Lohnbeträge dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen unterfallen konnten. Denn der Pfändungsschutz gilt nur bis zur Auszahlung auf ein Konto; ab der Auszahlung greift der Pfändungsschutz nicht mehr. S hätte allerdings ein Pfändungsschutzkonto einrichten können, so dass er auch nach der Auszahlung vor einem Gläubigerzugriff geschützt gewesen wäre; dies hat S aber unterlassen, so dass dies nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden kann.
  • S handelte mit dem Vorsatz einer Gläubigerbenachteiligung, und die Klägerin kannte diesen Vorsatz. S wusste, dass er Steuerschulden hatte, die er nicht begleichen konnte, und er hat mit der Überweisung seines Lohns auf das Konto der Klägerin billigend in Kauf genommen, dass die Beträge dem Zugriff des Finanzamts entzogen werden. Die Klägerin hatte von diesem Benachteiligungsvorsatz Kenntnis, weil sie aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus dem November 2016 von der Zahlungsunfähigkeit des S wusste; die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz wird dann vermutet.

Hinweise: Für die Anfechtung gilt eine Frist von zehn Jahren, die das Finanzamt eingehalten hat. Aufgrund der Klageabweisung ist die Klägerin nun verpflichtet, einen Wertersatz von ca. 12.000 € an das Finanzamt zu leisten.

Das Urteil macht deutlich, dass die Nutzung eines fremden Kontos als sog. geliehenem Konto nicht vor einer Vollstreckung schützt. Im Ergebnis kann die Vollstreckung nämlich im Wege eines Duldungsbescheids gegen den Kontoinhaber, der sein Konto verleiht, durchgesetzt werden.

Der S hätte sich ein Pfändungsschutzkonto einrichten lassen sollen. Seit dem 18.6.2016 hat jeder Verbraucher einen Anspruch auf Abschluss eines sog. Basiskontovertrags; das Basiskonto wird dann als Pfändungsschutzkonto geführt.

Quelle: BFH, Urteil vom 21.11.2023 – VII R 11/20; NWB

Energiepreispauschale ist einkommensteuerpflichtig

Die im Jahr 2022 an Arbeitnehmer ausgezahlte Energiepreispauschale gehört zu den steuerbaren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die einschlägige Vorschrift im Einkommensteuergesetz ist nicht verfassungswidrig. Dies hat das Finanzgericht Münster (FG) kürzlich entschieden.

Sachverhalt: Der Kläger erhielt im Jahr 2022 von seinem Arbeitgeber die Energiepreispauschale in Höhe von 300 € ausgezahlt. Das Finanzamt berücksichtigte diese im Einkommensteuerbescheid für 2022 als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Der Kläger machte zunächst im Einspruchsverfahren und später im Klageverfahren geltend, dass die Energiepreispauschale keine steuerbare Einnahme sei. Es handele sich um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Sein Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung der Subvention tätig geworden.

Entscheidung: Das FG Münster hat die Klage abgewiesen:

  • Der Gesetzgeber hat die Energiepreispauschale im Einkommensteuergesetz konstitutiv den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet. Auf einen Veranlassungszusammenhang mit der eigenen Arbeitsleistung kommt es daher nicht an.
  • Die einschlägige Vorschrift im Einkommensteuergesetz ist auch verfassungsgemäß: Für die dort geregelte Besteuerung der Energiepreispauschale ist der Bundesgesetzgeber nach dem Grundgesetz zuständig gewesen, da ihm die Einkommensteuer (teilweise) zufließt.
  • Aus der Verfassung ergibt sich nicht, dass der Staat nur das sog. Markteinkommen besteuern darf.

Hinweis: Die Richter des FG Münster haben die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, die inzwischen eingelegt wurde (Aktenzeichen beim BFH: VI R 15/24). Das Verfahren wurde sowohl von Steuerpflichtigen als auch von der Finanzverwaltung als Musterverfahren an-gesehen. Bundesweit sind zu der Besteuerung der Ener-giepreispauschale noch tausende Einspruchsverfahren in den Finanzämtern anhängig. Wir halten Sie über den Ausgang des Verfahrens auf dem Laufenden.

Quelle: FG Münster, Urteil v. 17.4.2024 – 14 K 1425/23 E; Revision zugelassen, NWB

Streit über die Auszahlung der Energiepreispauschale

Die Energiepreispauschale wird grundsätzlich vom Arbeitgeber ausgezahlt. Soweit der Arbeitgeber die Auszahlung nicht vornimmt, ist die Energiepreispauschale mit der Einkommensteuerveranlagung 2022 festzusetzen. Weigert sich das Finanzamt, kann die Energiepreispauschale nach der Durchführung eines Vorverfahrens beim Finanzgericht eingeklagt werden.

Hintergrund: Unter bestimmten Voraussetzungen haben Steuerpflichtige für das Kalenderjahr 2022 eine einmalige Energiepreispauschale von 300 € erhalten. Damit sollte ein Ausgleich für die hohen Energiekosten geschaffen werden. Anspruchsberechtigt waren Unternehmer, Arbeitnehmer, Rentner und Pensionäre.

Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer der A-GmbH, deren Sitz sich in A-Stadt befand; nach dem Arbeitsvertrag war Arbeitgeberin aber die Niederlassung der A-GmbH in C-Stadt. Der Kläger wohnte in B-Stadt. Die A-GmbH zahlte dem Kläger für 2022 keine Energiepreispauschale aus. Der Kläger erhob daher beim Arbeitsgericht in C-Stadt Klage gegen die A-GmbH. Das Arbeitsgericht verwies die Sache an das Finanzgericht (FG). Das FG rief den Bundesfinanzhof (BFH) an, damit dieser klärt, welches Finanzgericht zuständig ist.

Entscheidung: Der BFH entschied, dass das für C-Stadt zuständige Finanzgericht zuständig ist:

  • Die Verweisung des Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht an das FG war nicht offensichtlich unhaltbar, sondern für das FG bindend. Denn ein Streit über die Auszahlung der Energiepreispauschale ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Finanzrechtsweg gegeben ist.
  • Da der Kläger nicht gegen das Finanzamt klagt, sondern gegen die A-GmbH, kommt es auf den Sitz der A-GmbH an. Dieser befand sich zwar in A-Stadt; nach dem Arbeitsvertrag war der Kläger aber bei der Niederlassung der A-GmbH in C-Stadt angestellt, so dass das für C-Stadt zuständige Finanzgericht zuständig ist.
  • Auf den Wohnsitz des Klägers kommt es nicht an. Zwar wird die Energiepreispauschale mit der Einkommensteuerveranlagung 2022 festgesetzt, falls der Arbeitgeber sie nicht auszahlt. Der Kläger begehrt aber nicht die Festsetzung der Energiepreispauschale durch das Finanzamt, sondern die Auszahlung durch die A-GmbH. Der Kläger hat die Energiepreispauschale nämlich nicht in seiner Einkommensteuererklärung für 2022 geltend gemacht.

Hinweise: Der Kläger hätte statt seines Auszahlungsanspruchs gegen die A-GmbH auch eine Einkommensteuererklärung für 2022 bei dem für ihn zuständigen Finanzamt abgeben können und hierin die Energiepreispauschale geltend machen können. Es wäre dann für die Zuständigkeit des Finanzamts auf den Wohnsitz des Klägers angekommen.

Weigert sich das Finanzamt, die Energiepreispauschale auszuzahlen, muss zunächst ein Vorverfahren (Einspruch) durchgeführt werden. Bleibt dieses ebenfalls erfolglos und wird es mit einer Einspruchsentscheidung abgeschlossen, ist der Weg zum Finanzgericht frei: Beklagter ist dann jedoch das Finanzamt und nicht der eigene Arbeitgeber.

Quelle: BFH, Beschluss vom 29.2.2024 – VI S 24/23; NWB

Änderungen durch das Wachstumschancengesetz

Nach langem Hin und Her wurde das sog. Wachstumschancengesetz nun doch noch Ende März 2024 verkündet. Nachfolgend haben wir die wichtigsten Änderungen für Sie zusammengefasst:

I. Änderungen für Unternehmer

1. Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung

Bisher war eine degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann möglich, wenn das Wirtschaftsgut bis zum 31.12.2022 angeschafft oder hergestellt worden ist. Die degressive Abschreibung beträgt das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, die auf der Nutzungsdauer beruht; die degressive Abschreibung darf höchstens 25 % betragen.

Der Gesetzgeber lässt die degressive Abschreibung nun auch für solche beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu, die nach dem 31.3.2024 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind. In diesem Fall beträgt die degressive Abschreibung maximal das Doppelte der sog. linearen Abschreibung, die sich nach der Nutzungsdauer bemisst, und darf 20 % nicht übersteigen.

Hinweis: Die degressive Abschreibung ist nicht zulässig, wenn das Wirtschaftsgut nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.4.2024 angeschafft oder hergestellt worden ist.

2. Sonderabschreibung für kleine und mittlere Unternehmen

Unternehmer, deren Gewinn 200.000 € nicht übersteigt, können bislang unter bestimmten Voraussetzungen eine einmalige Sonderabschreibung von 20 % auf abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie z. B. Maschinen vornehmen, und zwar zusätzlich zur regulären Abschreibung, die von der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts abhängig ist. Für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft oder hergestellt werden, wird die Sonderabschreibung von 20 % auf 40 % nun verdoppelt.

Zu beachten ist ferner die geänderte Abschreibung für neu gebaute Mietwohnungen, die auch für Unternehmer gilt, wenn sich die Wohnungen im Betriebsvermögen befinden, weil sie z. B. an Arbeitnehmer vermietet werden (zu den Einzelheiten s. unten unter „Vermieter“).

3. Verbesserung bei der sog. Thesaurierungsbesteuerung

Einzelunternehmen und Personengesellschaften haben die Möglichkeit, eine sog. Thesaurierungsbesteuerung zu wählen. Der nicht entnommene, also thesaurierte Gewinn wird dann mit 28,25 % besteuert. Allerdings kommt es zu einer Nachversteuerung mit einem Steuersatz von 25 %, sobald der Gewinn entnommen wird.

Ab 2024 wird das begünstigt besteuerte Thesaurierungsvolumen dadurch erhöht, dass der begünstigungsfähige Gewinn um die steuerlich nicht als Betriebsausgabe abziehbare Gewerbesteuer und um die nicht absetzbare Einkommensteuer, die entnommen wird, damit die „Thesaurierungssteuer“ an das Finanzamt gezahlt werden kann, erhöht wird.

4. Änderung bei der Dienstwagenbesteuerung

Werden betriebliche Elektrofahrzeuge privat genutzt, muss für die Privatnutzung eine Entnahme versteuert werden. Bei einer betrieblichen Nutzung von mehr als 50 % kann die Entnahme mit 0,25 % des Bruttolistenpreises (zzgl. Kosten der Sonderausstattung und einschließlich Umsatzsteuer) monatlich bewertet werden.

Diese günstige Bewertung setzte bislang voraus, dass der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs 60.000 € nicht übersteigt. Diese Grenze wird für reine Elektrofahrzeuge, die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden, auf 70.000 € erhöht (ursprünglich war eine Erhöhung auf 80.000 € geplant).

Hinweis: Entscheidet sich der Unternehmer für die Bewertung der Entnahme nach der sog. Fahrtenbuchmethode, wirkt sich die Erhöhung der zulässigen Anschaffungskosten bei reinen Elektrofahrzeugen ebenfalls günstig aus, weil dann nur 25 % der Anschaffungskosten bei den Kfz-Kosten berücksichtigt werden.

5. Betriebsausgabenabzug für Geschenke

Geschenke an Geschäftsfreunde waren bislang bis zur Höhe von 35 € / Empfänger im Wirtschaftsjahr abziehbar. Diese Freigrenze wird ab 2024 auf 50 € angehoben. Wie bisher gilt: Ist das Geschenk auch nur geringfügig teurer, sind die kompletten Ausgaben nicht abziehbar.

6. Erhöhung der Buchführungsgrenzen

Gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte sind steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet, wenn sie bestimmte Buchführungsgrenzen überschreiten. Der Gesetzgeber erhöht für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen, die bisherige Umsatzgrenze von 600.000 € auf 800.000 € und die bisherige Gewinngrenze von 60.000 € auf 80.000 €.

In gleicher Höhe werden auch die Grenzen für die handelsrechtliche Buchführungspflicht von Einzelkaufleuten angepasst. Steuerpflichtige Einzelkaufleute können dann unterhalb dieser Grenze auf eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung und vereinfachte Buchführung zurückgreifen. Diese Änderungen greifen ebenfalls für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen.

7. Erweiterung der umsatzsteuerlichen Ist-Versteuerung

Ab 2024 wird die Umsatzgrenze für die Anwendbarkeit der sog. Ist-Versteuerung von 600.000 € um 200.000 € auf 800.000 € erhöht.

8. Erleichterung für Kleinunternehmer

Ab 2024 sind Kleinunternehmer grundsätzlich nicht mehr zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung verpflichtet. Sie können allerdings – wie bisher auch – vom Finanzamt zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung aufgefordert werden. Auch besteht die Abgabepflicht z. B. weiterhin bei innergemeinschaftlichen Erwerben.

Hinweis: Kleinunternehmer sind Unternehmer, deren Umsatz im Vorjahr 22.000 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Sie müssen keine Umsatzsteuer abführen, können dann aber auch keine Vorsteuer gelten machen.

9. Option zur Körperschaftsteuer

Personenhandelsgesellschaften wie z. B. die OHG oder KG können auf Antrag zur Körperschaftsbesteuerung optieren und unterliegen dann lediglich einem Körperschaftsteuersatz von 15 % zuzüglich Gewerbesteuer, die bei Körperschaften grundsätzlich anfällt. Der Gesetzgeber erstreckt ab dem 28.3.2024 den Anwendungsbereich dieser Option auf alle Personengesellschaften, also insbesondere auch auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts, wenn diese in einem Gesellschaftsregister eingetragen sind (sog. eGbR).

Die Option, die bis zum 30.11. für das Folgejahr zu beantragen ist, ist ab dem 28.3.2024 auch für neu gegründete Personengesellschaften möglich, die den Antrag dann innerhalb eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags stellen müssen, so dass die Option bereits für das laufende Wirtschaftsjahr gilt. Gleiches gilt für Personengesellschaften, die durch einen umwandlungsrechtlichen Formwechsel aus einer Körperschaft hervorgegangen sind und die für die Option einen Monat Zeit nach Anmeldung des Formwechsels beim Handelsregister haben, damit die Option bereits für das laufende Wirtschaftsjahr gilt.

10. Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen ab 2025

Nach bisheriger Rechtslage kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen befreien, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € betragen hat. Dieser Betrag wird ab dem Besteuerungszeitraum 2025 auf 2.000 € erhöht. Ursprünglich sollte diese Regelung bereits für das Jahr 2024 gelten.

11. Elektronische Rechnung ab 2025

Der Gesetzgeber schreibt ab 2025 die Pflicht zur elektronischen Rechnung in einem sog. strukturiertem Format innerhalb von sechs Monaten nach Leistungserbringung vor, wenn die Leistung an einen anderen Unternehmer im Inland ausgeführt wird. Allerdings gibt es eine Übergangsregelung für Umsätze, die nach dem 31.12.2024 und vor dem 1.1.2027 ausgeführt werden, so dass bis zum 31.12.2026 eine Rechnung auf Papier und – bei Zustimmung des Rechnungsempfängers – auch in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden kann. Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Jahr 2026 800.000 € nicht überschreitet, können sogar bis zum 31.12.2027 ihre Rechnungen auf Papier oder – mit Zustimmung des Rechnungsempfängers – in einem anderen elektronischen Format ausstellen.

II. Änderungen für Arbeitnehmer

Zum 1.1.2024 wird der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, die im Fahrzeug übernachten, von 8 € auf 9 € pro Tag erhöht. Dieser Betrag kann zusätzlich zur den Verpflegungspauschalen geltend gemacht werden.

III. Änderungen für Vermieter

Für Vermieter ergeben sich durch das Wachstumschancengesetz folgende wichtige Änderungen:

1. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Der Anwendungsbereich der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau wurde verlängert. Danach können die Sonderabschreibungen – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – in Anspruch genommen werden, wenn durch Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029 (bisher 1.1.2027) gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden

Für aufgrund eines nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellte Wohnungen sind darüber hinaus auch die Baukostenobergrenze und die maximale Bemessungsgrundlage angehoben worden. Die maximalen Anschaffungs- oder Herstellungskosten betragen nunmehr 5.200 € (bislang 4.800 €) je qm Wohnfläche, die Bemessungsgrundlage beträgt nunmehr maximal 4.000 € (bisher 2.500 €) je qm Wohnfläche.

Hinweis: Die Sonderabschreibung ist rückgängig zu machen, wenn die Wohnung nicht zehn Jahre lang vermietet oder vorher verkauft oder die Baukostenobergrenze durch nachträgliche Baumaßnahmen überschritten wird.

2. Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude

Außerdem hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2023 eine degressive Abschreibung für Wohngebäude i. H. v. 5 % eingeführt. Dies gilt für Wohngebäude in Deutschland oder in der EU bzw. im EWR (Island, Liechtenstein und Norwegen). Voraussetzung ist, dass mit der Herstellung des Gebäudes nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wird oder dass das Gebäude nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 gekauft wird und der Nutzen- und Lastenwechsel bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erfolgt ist. Bei einem Kauf muss die Fertigstellung also im selben Jahr wie der Nutzen- und Lastenwechsel erfolgen. Für den Beginn der Herstellung kommt es auf die Anzeige des Baubeginns an.

IV. Alle Steuerzahler

Mit Wirkung zum 1.1.2024 wird mit dem Wachstumschancengesetz die Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte von bislang 600 € auf 1.000 € angehoben. Bei zusammenveranlagten Ehegatten steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu, sofern jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt hat. Bei einem auch nur geringfügig höheren Gewinn kommt die Freigrenze nicht zum Ansatz.

Verbesserung des Verlustausgleichs: Trotz Verlustvortrags droht eine Mindestbesteuerung, wenn ein Verlust von mehr als 1 Mio. € in ein Folgejahr vorgetragen und dort mit positiven Einkünften von mehr als 1 Mio. € verrechnet werden soll. Der Gesetzgeber sieht bislang nämlich eine Besteuerung von 40 % des Betrags, der 1 Mio. € übersteigt, vor. Dieser Mindestbesteuerungssatz wird nun bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer in den Jahren 2024 bis 2027 auf 30 % gesenkt.

V. Nicht umgesetzte Maßnahmen

U.a. die folgenden ursprünglich mit dem Wachstumschancengesetz geplanten Änderungen wurden nicht umgesetzt:

  • Erhöhung der Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) von 800 € pro Wirtschaftsgut auf 1.000 €;
  • Abschaffung des Sammelpostens für GWG sowie – alternativ – die Abschreibung des Sammelpostens auf drei anstatt auf fünf Jahre;
  • Einführung einer Klimaschutzprämie, die gewährt werden sollte, wenn der Unternehmer bis zum 31.12.2029 Wirtschaftsgüter anschafft, die Teil eines sog. Einsparkonzepts sind und zur Verbesserung der Energieeffizienz dienen;
  • Erhöhung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen;
  • Erhöhung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen auf 150 €;
  • die Einführung einer Freigrenze von 1.000 € für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung;
  • Anhebung des Höchstbetrags, der im Wege des Verlustrücktrags in einem Vorjahr abgezogen werden kann, auf 10 Mio. € (20 Mio. €. bei zusammenveranlagten Ehegatten).

Ebenfalls nicht umgesetzt wurde eine ursprünglich geplante Meldepflicht für Steuergestaltungen im Inland sowie die Senkung des Durchschnittssatzes auf landwirtschaftliche Erzeugnisse auf 8,4 %; hier bleibt es nach derzeitigem Stand in diesem Jahr beim Durchschnittssatz von 9,0 %.

Quelle: Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz), BGBl. 2024 I Nr. 108; NWB

Rechtsanwaltskosten eines Berufssoldaten für ein Wehrdisziplinarverfahren

Beauftragt ein Berufssoldat in einem gegen ihn geführten Wehrdisziplinarverfahren einen Rechtsanwalt, kann er die Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten abziehen. Denn ein Wehrdisziplinarverfahren ist beruflich veranlasst, da es an eine Verletzung der Dienstpflicht anknüpft.

Hintergrund: Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen sind als Werbungskosten steuerlich abziehbar.

Sachverhalt: Der Kläger war Berufssoldat. Aufgrund eines auf Facebook veröffentlichten Kommentars wurde er vom Amtsgericht schuldig gesprochen und kostenpflichtig verwarnt. Anschließend wurde gegen ihn ein Wehrdisziplinarverfahren eingeleitet und ein mehrfacher Verstoß gegen Dienstpflichten vorgeworfen, z.B. gegen das Zurückhaltungsgebot außerhalb des Diensts oder gegen das Gebot, die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Diensts zu achten. Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt und machte die Anwaltskosten in Höhe von rund 1.700 € als Werbungskosten geltend.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) erkannte die Werbungskosten an und gab der Klage statt:

  • Die Rechtsanwaltskosten waren beruflich veranlasst, da das Wehrdisziplinarverfahren die berufliche Sphäre des Klägers betraf. Wehrdisziplinarverfahren werden nämlich nur wegen dienstlichen Verfehlungen eingeleitet.
  • Zwar kann ein Wehrdisziplinarverfahren an ein außerdienstliches Verhalten anknüpfen. Der Vorwurf hat aber immer einen dienstlichen Bezug, weil dem Soldaten bei einem Wehrdisziplinarverfahren eine Verletzung seiner Dienstpflicht vorgeworfen wird., z.B. das Zurückhaltungsgebot.
  • Außerdem drohte aufgrund des Disziplinarverfahrens eine Disziplinarmaßnahme, die zu einer Minderung der Dienstbezüge geführt hätte, etwa eine Kürzung der Bezüge, eine Degradierung oder aber die Entfernung aus dem Dienst.

Hinweise: Ein Wehrdisziplinarverfahren unterscheidet sich damit steuerlich von einem Strafverfahren. Denn die Prozesskosten für ein Strafverfahren sind nur dann als Werbungskosten absetzbar, wenn die Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen wurde und nicht nur – wie etwa bei einem Diebstahl von Waren des Arbeitgebers – bei Gelegenheit der Berufsausübung.

Ein Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen statt Werbungskosten scheitert in der Regel am Gesetz, das einen Abzug als außergewöhnliche Belastung nur dann zulässt, wenn der Steuerpflichtige ohne den Prozess seine Existenzgrundlage verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte.

Quelle: BFH, Urteil vom 10.1.2024 – VI R 16/21; NWB