Hinterziehungszinsen für hinterzogene Jahreseinkommensteuer und für Einkommensteuervorauszahlungen
Das Finanzamt kann sowohl für die hinterzogene Einkommensteuer eines Veranlagungszeitraums als auch für die Vorauszahlungen dieses Veranlagungszeitraums Hinterziehungszinsen festsetzen. Eine Doppelverzinsung liegt nicht vor, weil sich die Verzinsungszeiträume nicht überschneiden; denn der Verzinsungszeitraum für die Hinterziehungszinsen für die hinterzogenen Vorauszahlungen endet mit dem Beginn des Verzinsungszeitraums für die hinterzogene Jahreseinkommensteuer.
Hintergrund: Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern.
Sachverhalt: Die Kläger hatten in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2013 ausländische Zinsen nicht erklärt. Nachdem das Finanzamt dies festgestellt hatte, erließ es geänderte Einkommensteuerbescheide, nicht aber geänderte Vorauszahlungsbescheide. Außerdem setzte das Finanzamt im Jahr 2016 Hinterziehungszinsen sowohl für die hinterzogenen Jahreseinkommensteuern als auch für die hinterzogenen Vorauszahlungen fest. Dabei begrenzte es den Zinslauf für die hinterzogenen Vorauszahlungen auf den Tag der Bekanntgabe des entsprechenden Jahressteuerbescheids. Die Kläger wandten sich gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu den Vorauszahlungen mit der Begründung, dass es zu einer Doppelverzinsung gekommen sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage überwiegend ab:
- Die Kläger haben nicht nur die jeweilige Jahreseinkommensteuer der Veranlagungszeiträume 2003 bis 2013 hinterzogen, sondern auch weitgehend die Vorauszahlungen dieser Jahre. Denn durch die Nichterklärung von ausländischen Zinsen in der Einkommensteuererklärung sind auch die Vorauszahlungen für den nachfolgenden Veranlagungszeitraum zu niedrig festgesetzt worden.
- Die Kläger haben die Steuerhinterziehung vorsätzlich begangen. Der Vorsatz für eine Hinterziehung von Vorauszahlungen ist zu bejahen, wenn gegenüber dem Steuerpflichtigen regelmäßig Vorauszahlungen festgesetzt werden, weil er Einkünfte ohne Steuerabzug erzielt und ihm bekannt ist, dass bei einer unvollständigen Erklärung dieser Einkünfte auch die Vorauszahlungen für den Folgezeitraum zu niedrig ausfallen. Der Steuerpflichtige muss nicht genau wissen, in welcher Höhe die künftigen Vorauszahlungen verkürzt werden.
- Eine Doppelverzinsung erfolgt nicht, wenn Hinterziehungszinsen sowohl für die Vorauszahlungen als auch für die Jahreseinkommensteuer desjenigen Veranlagungszeitraums, für den die Vorauszahlungen hätten geleistet werden müssen, festgesetzt werden. Denn es werden unterschiedliche Verzinsungszeiträume zugrunde gelegt, so dass nicht für ein und denselben Verzinsungszeitraum zweimal Hinterziehungszinsen festgesetzt werden.
- So beginnt der Verzinsungszeitraum für die Hinterziehungszinsen mit dem jeweiligen Fälligkeitstag am 10.3., 10.6., 10.9. oder 10.12., und er endet mit dem Beginn des Verzinsungszeitraums für die hinterzogene Jahreseinkommensteuer, nämlich am Tag der Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids oder, falls sich eine Abschlusszahlung aus dem Einkommensteuerbescheid ergibt, mit dem Tag der Fälligkeit der Abschlusszahlung.
- Das Finanzamt hat auf diese Abgrenzung der Verzinsungszeiträume geachtet, so dass eine Doppelverzinsung nicht eingetreten ist.
Hinweise: Für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige wegen einer Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Es wird also im Rahmen der Klage gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen entschieden, ob eine Steuerhinterziehung vorlag.
Neben Hinterziehungszinsen entstehen auch Nachzahlungszinsen. Allerdings werden die Nachzahlungszinsen auf die Hinterziehungszinsen angerechnet. Hinterziehungszinsen haben für den Steuerpflichtigen den Nachteil, dass der Verzinsungszeitraum deutlich länger ist.
Eine Verjährung war hinsichtlich der Hinterziehungszinsen nicht eingetreten. Denn nach dem Gesetz beginnt die Verjährung erst mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, nicht aber vor Abschluss des Jahres, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Im Streitfall ist es weder zu einer Festsetzung der hinterzogenen Vorauszahlungen gekommen noch zu einem Abschluss eines Strafverfahrens; damit konnte die Festsetzungsfrist weder beginnen noch ablaufen.
Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes für Hinterziehungszinsen in Höhe von 6 % hatte der BFH nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht hat nur die regulären Nachzahlungszinsen hinsichtlich des Verzinsungszeitraums ab dem 1.1.2019 als verfassungswidrig angesehen, nicht aber Hinterziehungszinsen, da diese vom Steuerpflichtigen bewusst in Kauf genommen werden.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg, weil der Vorsatz für zwei Vorauszahlungsquartale vom Finanzgericht (FG) nicht ausreichend festgestellt worden war. Der BFH hat die Sache insoweit an das FG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.
BFH, Urteil v. 28.9.2021 – VIII R 18/18; NWB