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Zustellung von Steuerbescheiden in der Schweiz

Einkommensteuerbescheide können an Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, erst für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2018 unmittelbar durch die Post zugestellt werden. Denn erst ab dem 1.1.2018 gilt ein entsprechendes Abkommen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Vor dem 1.1.2018 war eine Zustellung nur durch öffentliche Bekanntmachung möglich.

Hintergrund: Die Wirksamkeit eines Steuerbescheids setzt u. a. die Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen oder an dessen Bevollmächtigten voraus. Im Inland wird ein Steuerbescheid grundsätzlich durch einen einfachen Brief bekannt gegeben. Eine besondere Form der Bekanntgabe ist die Zustellung, die förmlich erfolgt, z.B. durch eine Postzustellungsurkunde, durch ein Empfangsbekenntnis oder durch eine öffentliche Zustellung, bei der ein Aushang im Finanzamt erfolgt.

Streitfall: Der Kläger hatte seit 2013 einen Wohnsitz nur noch in der Schweiz. In den Streitjahren 2009 bis 2013 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau veranlagt. Jedoch beantragte seine Ehefrau im Nachhinein für die Jahre 2009 bis 2012 die getrennte Veranlagung und für 2013 die Einzelveranlagung. Daraufhin hob das Finanzamt im Jahr 2017 die Zusammenveranlagungsbescheide für 2009 bis 2013 auf. Der Kläger hatte keinen Bevollmächtigten in Deutschland. Das Finanzamt ordnete im April 2017 die öffentliche Zustellung der Aufhebungsbescheide sowie der Einkommensteuerbescheide (getrennte Veranlagung bzw. Einzelveranlagung) für den Kläger an. Die Benachrichtigungen über die öffentliche Zustellung wurden am 25.4.2017 im Finanzamt ausgehängt und am 10.5.2017 wieder abgenommen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 25.4.2017 über die öffentliche Zustellung informiert. Der Kläger hielt die Bescheide wegen fehlerhafter Bekanntgabe für unwirksam.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies seine Klage ab:

  • Die Zustellung eines Bescheids durch öffentliche Bekanntmachung ist zulässig, wenn die Zustellung im Ausland unmittelbar durch die Post völkerrechtlich nicht zugelassen ist oder keinen Erfolg verspricht.
  • In der Schweiz können Steuerbescheide erst für Besteuerungszeiträume ab dem 1.1.2018 unmittelbar durch die Post zugestellt werden. Dies ergibt sich aus einem völkerrechtlichen Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz.
  • Im Streitfall war eine Zustellung für Besteuerungszeiträume vor 2018, nämlich 2009 bis 2013, durch die Post noch nicht möglich. Eine öffentliche Zustellung war somit zulässig. Die öffentliche Zustellung ist formell ordnungsgemäß erfolgt, so dass die Bescheide gegenüber dem Kläger wirksam geworden sind.

Hinweise: In der Praxis empfiehlt es sich bei Wegzug in das Ausland, einen Empfangsbevollmächtigten in Deutschland zu bestellen. Auf diese Weise werden Probleme bei der Bekanntgabe vermieden, und die Bescheide können fristgerecht angefochten werden. Anderenfalls bleibt zwar der Einwand, dass der Bescheid unwirksam ist, möglich; scheitert dieser Einwand aber wie im Streitfall, droht auch eine Versäumnis der Einspruchsfrist, wenn die Bekanntgabe als wirksam angesehen wird und kein Einspruch eingelegt worden ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 8.3.2022 – VI R 37/19; NWB

Unangemessen lange Verfahrensdauer eines Klageverfahrens im Steuerberaterprüfungsrecht

Die Klage eines bei der Steuerberaterprüfung durchgefallenen Rechtsanwalts gegen das Prüfungsergebnis dauert unangemessen lange, wenn die Schriftsätze ausgetauscht sind, das Gericht aber danach nicht mit der Terminierung zur mündlichen Verhandlung beginnt. Soweit eine unangemessene Verzögerung vorliegt und der Kläger eine Verzögerungsrüge erhoben hat, ist dem Kläger für jeden Monat der Verzögerung eine Entschädigung von 100 € zuzusprechen.

Hintergrund: Dauert ein Gerichtsverfahren unangemessen lange, steht dem Verfahrensbeteiligten grundsätzlich eine Entschädigung von 100 €/Monat zu.

Streitfall: Der Kläger war Rechtsanwalt, wollte aber auch Steuerberater werden und nahm zweimal vergeblich an der Steuerberaterprüfung teil. Gegen den Bescheid über das Nichtbestehen erhob er im Januar 2017 Klage und reichte eine 76-seitige Klagebegründung ein. In der Folgezeit wurden die gegenseitigen Schriftsätze ausgetauscht. Am 28.2.2019 erkundigte sich die Steuerberaterkammer als Verfahrensbeteiligte nach dem Verfahrensstand; das Gericht übermittelte eine Standardantwort, übersandte diese jedoch nicht dem Kläger. Am 30.10.2019 erhob der Kläger Verzögerungsrüge. Am 10.12.2019 lud das Finanzgericht die Sache zur mündlichen Verhandlung im Januar 2020. Die Klage wurde abgewiesen. Anschließend erhob der Kläger Entschädigungsklage beim Bundesfinanzhof (BFH) und beantragte eine Entschädigung von 900 € für eine Verzögerung von neun Monaten.

Entscheidung: Der BFH gab der Entschädigungsklage statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung von 900 € zu:

  • Zwar genügt es im Finanzgerichtsverfahren grundsätzlich, wenn ein Fall, der nicht überdurchschnittlich schwer ist, nach zwei Jahren geladen wird. Dieser Grundsatz lässt sich auf Klagen im Bereich der Steuerberaterprüfung aber nicht übertragen, da das Bestehen einer Prüfung für einen Kläger eine hohe Bedeutung hat; denn ohne bestandene Prüfung kann er seinen Beruf nicht ausüben.
  • Die genaue angemessene Dauer hängt von der Komplexität des Falls, hier etwa vom Umfang der Klagebegründung mit 76 Seiten, und von der – hier erfolgten – Mitwirkung des Klägers ab. Der Streitfall war bereits angesichts der sehr umfangreichen Klageschrift überdurchschnittlich schwierig, hätte aber wegen der großen Bedeutung des Falls für den Kläger gleichwohl zügig bearbeitet werden müssen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits Rechtsanwalt war und daher auch ohne bestandene Steuerberaterprüfung steuerberatend tätig werden durfte.
  • Konkret ist es jedenfalls ab März 2019 zu einer unangemessenen Verzögerung gekommen, da im Februar 2019 die Steuerberaterkammer nach dem Sachstand gefragt hatte und anschließend nichts mehr geschah. Erst im Dezember 2019 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Damit war für den Zeitraum vom März 2019 bis November 2019 eine neunmonatige Verzögerung anzunehmen.
  • Diese Verzögerung war durch die verschiedenen Erkrankungen der zuständigen Richterin nicht gerechtfertigt. Denn im Fall der Erkrankung müssen die Vertreter der Richterin einspringen, ggf. auch der Vorsitzende.

Hinweise: Eine Verzögerungsrüge wirkt grundsätzlich nur sechs Monate zurück, so dass die am 30.10.2019 erhobene Verzögerungsrüge an sich nur den Zeitraum ab 30.4.2019 bis einschließlich November 2019 erfassen konnte. Der BFH hielt es aber für sachgerecht, dem Kläger bereits ab März 2019 eine Entschädigung zuzusprechen. Denn der Kläger wollte erst einmal den Ausgang der Sachstandsanfrage der Steuerberaterkammer im Februar 2019 abwarten; die Standardantwort der Richterin war ihm aber nicht übermittelt worden, so dass dem Kläger nicht vorgehalten werden konnte, dass er seine Verzögerungsrüge erst im Oktober 2019 erhoben hat.

Eine Verzögerungsrüge darf auch nicht zu früh erhoben werden, also bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerung noch nicht zu befürchten ist. Anderenfalls ist die Verzögerungsrüge unwirksam.

Eine Verzögerungsrüge ist nicht auf finanzgerichtliche Verfahren beschränkt, sondern gilt für alle Gerichtszweige, also z. B. auch für Zivil-, Verwaltungs- oder Arbeitsgerichte.

Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2022 – X K 2/20; NWB

Umsatzsteuer bei unentgeltlicher Wärmeabgabe aus dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks

Wird beim Betrieb eines Blockheizkraftwerks ein Teil der produzierten Wärme unentgeltlich abgegeben, muss auf diese unentgeltliche Wertabgabe Umsatzsteuer abgeführt werden. Hierfür sind die Selbstkosten anzusetzen, wenn es mangels Anschlusses an das Fernwärmenetz keinen Einkaufspreis gibt, und auf den Strom und auf die Wärme aufzuteilen. Diese Aufteilung hat nicht nach der in kWh erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie zu erfolgen, sondern nach den Markwerten für den Strom und für die Wärme.

Hintergrund: Grundsätzlich bemisst sich die Umsatzsteuer nach dem Entgelt. Bei einer unentgeltlichen Wertabgabe gibt es aber kein Entgelt, so dass nach dem Gesetz der Einkaufspreis anzusetzen ist oder – falls es keinen Einkaufspreis gibt – die Selbstkosten.

Streitfall: Der Kläger produzierte mit einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme und speiste den Strom gegen Entgelt in das Netz ein. Gegenüber der Gemeinde verpflichtete sich der Kläger zur unentgeltlichen Abgabe der von ihm produzierten Wärme an verschiedene Gemeindeobjekte wie z.B. die Feuerwehr oder das Pfarrhaus. Dies ermöglichte dem Kläger die Erlangung eines sog. KMK-Bonus. Das Finanzamt unterwarf die unentgeltliche Abgabe der Wärme der Umsatzsteuer. Hierzu teilte es die Selbstkosten des Klägers nach der Gesamtmenge des gelieferten Stroms und der erzeugten Wärme in kWh auf und begrenzte die sich für die Wärme ergebenden Selbstkosten auf den niedrigeren Fernwärmepreis. Auf diese Weise gelangte das Finanzamt in den Streitjahren 2010 bis 2013 zu unentgeltlichen Wertabgaben von ca. 100.000 € bis 150.000 € jährlich. Der Kläger hielt diese Bemessungsgrundlagen für zu hoch.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber zur weiteren Berechnung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Die unentgeltliche Abgabe von Wärme an die Gemeinde unterliegt der Umsatzsteuer. Die Bemessungsgrundlage hierfür ist nach dem Gesetz grundsätzlich der Einkaufspreis oder, falls es keinen Einkaufspreis gibt, die Selbstkosten.
  • Einen Einkaufspreis für die Wärme gab es beim Kläger nicht, da er nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen war, sondern die Wärme selbst produzierte. Daher waren die Selbstkosten zugrunde zu legen.
  • Die Selbstkosten des Klägers entfielen nicht nur auf die Herstellung der Wärme, sondern auch auf die Herstellung des Stroms. Daher waren die Selbstkosten auf die produzierte Wärme und auf den produzierten Strom aufzuteilen. Diese Aufteilung erfolgt nicht nach der sog. energetischen Methode, d.h. nach der in kWh erzeugten Menge; denn die energetische Methode führt im Ergebnis zu einer Wertbemessung nach den Einkaufspreisen.
  • Vielmehr sind bei der Aufteilung der Selbstkosten die Marktwerte für Strom und Wärme zugrunde zu legen (sog. Marktpreismethode). Diese Methode gilt auch bei der Aufteilung der Vorsteuer. Bei der Marktpreismethode wird auf einen fiktiven Verkaufsumsatz abgestellt, z.B. auf den durchschnittlichen Fernwärmepreis. Dabei können Besonderheiten wie Liefergarantien, Leitungskosten oder regionale Besonderheiten berücksichtigt werden.

Hinweise: Die abschließende Berechnung muss nun das FG durchführen. Allerdings hat der BFH im Urteil bereits ausgeführt, wie diese Berechnung aussehen könnte, darf diese Berechnung aus verfahrensrechtlichen Gründen jedoch nicht seinem Urteil zugrunde legen. Die Berechnung lautet wie folgt:

Die Selbstkosten des Klägers betrugen 641.182 €. Der Kläger erzielte einen Umsatz aus dem Verkauf von Strom in Höhe von 868.873 €. Er entnahm Wärme im Umfang von 2.112.832 kWh. Bei Ansatz eines fiktiven Verkaufspreises auf Grundlage eines durchschnittlichen Fernwärmepreises von 0,0694 €/kWh ergibt sich ein fiktiver Wärme-Umsatz von 146.631 €, so dass der fiktive Gesamtumsatz 1.015.504 € beträgt (868.873 € Strom-Umsatz + 146.631 € Wärme-Umsatz). Der Anteil der Wärme an der gesamten Energie beträgt somit 14,439 % (146.631 € : 1.015.504 €). Folglich sind 14,439 % der Selbstkosten (= 14,439 % x 641.182 €), d.h. 92.580 €, die Bemessungsgrundlage für die entnommene Wärme. Dies ist weniger als die vom Finanzamt jährlich angesetzten 100.000 € bis 150.000 €.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.3.2022 – V R 34/20; NWB

Keine Änderung eines Bescheids nach Erledigung der Hauptsache im Klageverfahren

Wird ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht mit einer beiderseitigen Erledigung der Hauptsache beendet, wird der Rechtsstreit damit abgeschlossen und der Steuerbescheid bestandskräftig. Zudem endet damit die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsverjährung, und der bisher bestehende Vorbehalt der Nachprüfung entfällt aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es sich bei der vor Klageerhebung ergangenen Einspruchsentscheidung nur um eine sog. Teileinspruchsentscheidung handelte.

Hintergrund: Das Finanzamt kann über einen Einspruch durch sog. Teileinspruchsentscheidung und damit zunächst nur über einen Teil des Einspruchs entscheiden. Der Rest des Einspruchs, der i.d.R. eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige verfassungsrechtliche Frage betrifft, bleibt dann weiterhin anhängig und wird entschieden werden, wenn das BVerfG über die verfassungsrechtliche Frage entschieden hat.

Streitfall: Der Kläger war ein Verein, der Verwaltungsaufgaben für das Bundesamt für Zivildienst erledigte. Der Kläger meldete seine Umsätze für das Streitjahr 2008 zunächst mit dem regulären Umsatzsteuersatz an. Gegen die entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung legte der Kläger am 22.10.2009 Einspruch ein und machte den ermäßigten Umsatzsteuersatz geltend. Wegen eines anhängigen Revisionsverfahrens zum Umsatzsteuersatz wurde das Ruhen des Einspruchsverfahrens angeordnet. Ein Jahr später änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für 2008 aus einem anderen Grund, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Kläger sein Personal beköstigt hatte. Gegen diesen Änderungsbescheid legte der Kläger am 22.12.2010 ebenfalls Einspruch ein. Am 1.6.2012 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Dabei bezog sich das Finanzamt auf den Einspruch vom 22.12.2010. Hiergegen klagte der Kläger. Im Klageverfahren erkannte das Finanzamt die Beköstigung als umsatzsteuerfrei an, und der Kläger sowie der Beklagte erklärten den Rechtsstreit am 31.7.2013 in der Hauptsache für erledigt. Im Jahr 2014 beantragte der Kläger eine Änderung des Umsatzsteuerbescheids, nachdem das Revisionsverfahren zur Höhe des Umsatzsteuersatzes entschieden worden war; der Kläger machte nun die Umsatzsteuerfreiheit für seine Umsätze geltend. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, und der Kläger erhob Klage.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof wies die Klage ab, da für 2008 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war:

  • Die vom Kläger und vom Finanzamt im vorherigen Klageverfahren am 31.7.2013 erklärte Erledigung der Hauptsache führte zur Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung 2008 und beendete die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist. Damit trat mit Ablauf des 31.12.2013 Festsetzungsverjährung ein. Hierdurch entfiel auch der Vorbehalt der Nachprüfung. Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2008 war verfahrensrechtlich nicht mehr möglich.
  • Die Einspruchsentscheidung vom 1.6.2012 war auch keine Teileinspruchsentscheidung. Bei einer Teileinspruchsentscheidung wäre der noch nicht entschiedene Teil des Einspruchs anhängig geblieben.
  • Zum einen war die Einspruchsentscheidung nicht als „Teileinspruchsentscheidung“ bezeichnet. Zum anderen wurde auch der Einspruch insgesamt zurückgewiesen und nicht nur ein Teil des Einspruchs. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Einspruch insgesamt entscheidungsreif gewesen war; der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung wäre daher nicht sachdienlich gewesen. Unbeachtlich ist somit, dass in der Einspruchsentscheidung nur der Einspruch vom 22.12.2010 und nicht der Einspruch vom 22.10.2009 genannt wurde.

Hinweise: Der Einspruch vom 22.12.2010 war unzulässig, da der Kläger bereits am 22.10.2009 Einspruch eingelegt hatte. Man kann gegen eine Festsetzung nur einmal zulässig Einspruch einlegen. Dieser Einspruch erfasst dann auch Änderungsbescheide, so dass nicht erneut Einspruch gegen den Änderungsbescheid eingelegt werden muss; ein weiterer Einspruch wäre unzulässig.

Das Urteil macht deutlich, dass man Streitpunkte in einem Einspruchs- und Klageverfahren möglichst umfassend klären und nicht darauf vertrauen sollte, dass diese noch in einem späteren Verfahren geklärt werden können.

Quelle: BFH, Urteil v. 17.3.2022 – XI R 39/19; NWB

Grunderwerbsteuer bei Kauf eines mit Weihnachtsbaumkultur bepflanzten Grundstücks

Beim Verkauf eines Grundstücks, das mit einer Weihnachtsbaumkultur bepflanzt ist und dessen Weihnachtsbäume bei Erreichen der erforderlichen Größe gefällt werden sollen, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nur nach dem Kaufpreis für das Grundstück ohne Weihnachtsbäume. Die Weihnachtsbäume sind nämlich Scheinbestandteile des Grundstücks und gehören daher rechtlich nicht zum Grundstück.

Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer richtet sich beim Kauf eines Grundstücks nach dem Kaufpreis für das Grundstück. Zum Grundstück gehören dessen wesentliche Bestandteile, nicht aber Scheinbestandteile.

Streitfall: Der Kläger erwarb zwei Grundstücke zum Gesamtpreis von ca. 340.000 €. Der Kaufpreis enthielt einen Anteil von ca. 87.000 € für den sog. Aufwuchs; dabei handelte es sich um Nordmanntannen und Blaufichten, die als Weihnachtsbäume gefällt werden sollten. Das Finanzamt setzte 6,5 % Grunderwerbsteuer auf den Gesamtkaufpreis von 340.000 € fest. Der Kläger wandte sich dagegen, dass auch der Anteil von 87.000 € für den Aufwuchs der Grunderwerbsteuer unterworfen wurde.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Bezieht sich ein Grundstückskaufvertrag auch auf Gegenstände, die rechtlich nicht als Teil des Grundstücks gelten, darf Grunderwerbsteuer nur nach dem Teil des Kaufpreises bemessen werden, der auf das Grundstück entfällt.
  • Zum Grundstück gehören grundsätzlich auch Erzeugnisse, solange sie mit dem Boden zusammenhängen, z.B. Pflanzen oder Bäume.
  • Anders ist dies bei Scheinbestandteilen, die nur vorübergehend mit dem Grundstück verbunden sind. Zu den Scheinbestandteilen gehören auch Weihnachtsbaumkulturen, da die Weihnachtsbäume gefällt werden sollen und nicht dauerhaft auf dem Grundstück stehen sollen. Das nur vorübergehende Verbleiben der Weihnachtsbäume steht von Anfang fest.
  • Die Grunderwerbsteuer war daher auf einer Bemessungsgrundlage von 253.000 € (340.000 € abzüglich 87.000 €) festzusetzen.

Hinweise: Auf die Dauer des Aufwachsens des Weihnachtsbaums kommt es nicht an. Ein Scheinbestandteil liegt also auch dann vor, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist. Es ist für die Annahme eines Scheinbestandteils auch nicht erforderlich, dass die Scheinbestandteilseigenschaft auf den ersten Blick erkennbar ist.

Auch Verkaufspflanzen in Baumschulen gelten als Scheinbestandteile, da sie vollständig entfernt werden sollen, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben. Im Gegensatz zu Weihnachtsbäumen werden Baumschulgewächse durch das Entfernen nicht vollständig zerstört, sondern leben beim Käufer weiter. Für die Einstufung als Scheinbestandteil kommt es nicht darauf an, ob die Pflanze bzw. der Baum lebensfähig bleibt oder ob ein nicht mehr lebensfähiger Rest zurückbleibt (z.B. Wurzeln mit Baumstumpf). Offengelassen hat der BFH die Frage, ob ein Scheinbestandteil dann auch vorliegt, wenn der Baum trotz des Fällens als lebensfähiger Organismus bestehen bleibt und wieder ausschlägt.

Quelle: BFH, Urteil v. 23.2.2022 – II R 45/19; NWB